Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
Vom Netzwerk:
oder? Da werden plätschernde Gebirgsbäche gezeigt, damit die Leute Gift kaufen. Du leidest unter einem Kulturschock, das ist alles.«
    »Mein Gott, wie grotesk, ihm alles wegzuschneiden und dann eine künstliche Vagina zu verpassen. Igitt!«
    »Hast du bei Brustimplantaten die gleichen Bedenken? Wenn ja, könntest du in den Staaten eine Pressure-group dagegen gründen. Dann wärst du die nächsten Jahrzehnte beschäftigt.«
    Sie keucht wütend. »Du hältst mich also für eins von diesen frustrierten farang -Weibern, die ständig gegen irgendwas Gift und Galle spucken, ja?«
    »Nein, ich glaube, du hast dich in Lek verliebt.«
    Kurzes Schweigen, dann ein vorsichtiges: »Ist er schwul?«
    »Verdammt noch mal, nein. Er hat in seinem Leben mit keinem Menschen geschlafen und wird’s vermutlich auch nie tun. Bei katoys wie ihm reagiert sich die Lust in Gesprächen ab. Wenn’s ernst wird, sind sie meistens ziemlich prüde. Ich hab dir doch gesagt, dass er ein weiblicher Geist in einem männlichen Körper ist. Er möchte bloß, dass seine innere Wahrheit irgendwann mit seinem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmt. Tut mir leid, wenn das schwer zu begreifen ist.« Der Verzweiflung nahe, lege ich auf.
    Sie ruft sofort wieder an. »Hast du grad was von ›innerer Wahrheit‹ gesagt? Tja, um die geht’s mir auch. Genau aus dem Grund bin ich hier; das beantwortet deine Frage von neulich.«
    »Falls du ihn auf der Suche nach deiner inneren Wahrheit verführen möchtest, solltest du keine Präzisionsbomben verwenden – damit bringst du ihn nur gegen dich auf. Versuch’s lieber mit Einfühlungsvermögen und bemüh dich, ihn ernst zu nehmen. Schließlich ist es ganz schön mutig, sich einer solchen Operation zu unterziehen, das solltest du nicht vergessen.«
    Kurzes Schweigen. »Hat er wirklich nie mit jemandem geschlafen? Wie alt ist er?«
    »Zweiundzwanzig. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest – ich hab zu tun.« Ich lege auf, schalte das Telefon aus und gehe zum Mittagessen.
     
    Von der Telefongesellschaft erfahre ich die Nummer von Noks Familie in ihrem Dorf. Allerdings zögere ich, sie zu wählen, weil ich an ihrem Tod schuld bin – wie schwierig wird es werden, mit ihren Angehörigen zu sprechen? Ich beschließe, mir zuerst Noks Wohnung anzusehen.
    Die Adresse befindet sich weit außerhalb der Stadt, ganz in der Nähe des neuen, noch nicht eröffneten Flughafens. Als ich nach einem mehr als einstündigen Stau auf der Sukhumvit 101 dort ankomme, sehe ich, dass sie in einer Standard-Einzimmer-Wohnung gelebt hat, die als reine Schlafstätte für Flughafenangestellte konzipiert wurde. Mit seinen drei mal viereinhalb Meter großen Zellen, die alle auf einen Flur im Innern gehen, erinnert das Gebäude an ein Gefängnis. Nok wohnte im fünften, dem obersten Stock, und zwar ohne Lift. Die Türen der Zimmer sind durch einfache Schlösser gesichert, doch die zu ihrem steht offen. Trotzdem klopfe ich vor dem Eintreten. In dem Raum halten sich fünf Menschen auf, ein Paar Mitte fünfzig, vermutlich ihre Eltern, ein junger Mann Anfang zwanzig, ein Mädchen, noch keine zwanzig, und ein Junge von etwa sieben Jahren. Abgesehen von einem Futon und einigen Frauenkleidern befindet sich nichts in dem winzigen Raum. Mein Blick ruht einen Moment lang auf dem Jungen; ich kann nur hoffen, dass das nicht Noks Sohn ist. Sie hat nie etwas von einem Kind erwähnt. »Ich bin Detective Jitpleecheep«, stelle ich mich vor.
    In den fünf Augenpaaren, die sich nun auf mich richten, kann ich keinerlei Hoffnung lesen, denn von Polizisten ist normalerweise keine Hilfe zu erwarten. Mutter und Tochter haben Angst, der Sohn wirkt verärgert. Vater und Jüngster begreifen offenbar nicht, was los ist. »Darf ich fragen, warum Sie hier sind?«
    »Unser Cousin, der weiter unten wohnt, hat uns angerufen. Er sagt, einige Männer hätten unsere Tochter vergangene Nacht auf einer Tragbahre tot hierher gebracht. Dann hätten andere Männer sie wieder abgeholt. Wir wissen nicht, wo sie ist«, antwortet die Mutter. Der Bruder fügt hinzu: »Sie war unsere einzige Hoffnung und hat für unser Überleben gesorgt. Was sollen wir jetzt tun?«
    Plötzlich scheinen sie mir alle stumm die Schuld zu geben. Ganz unrecht haben sie nicht, denn im Allgemeinen werden fünfzig Prozent der Probleme, unter denen die niedrigeren Einkommensgruppen leiden, durch Polizisten verursacht.
    »Sie war ein gutes Mädchen«, erklärt ihre Mutter. »Handelte nicht mit Drogen und

Weitere Kostenlose Bücher