Der buddhistische Mönch
Monate lang hat mein Abt Pichai und mich den Tod atmen lassen.«
Vielleicht ist es melodramatisch, diesen umgangssprachlichen Ausdruck zu verwenden. Um Gamons Lippen spielt ein belustigtes Lächeln; er wirkt wie ein Meister, der die unbeholfenen Bemühungen eines mittelmäßigen Schülers beobachtet.
»Den Tod zu atmen ist eine gute Übung«, sagt er. Ich hänge an seinen Lippen.
»In Kambodscha werden dazu immer noch echte Leichen verwendet. Ich habe in meiner Zelle ein Jahr lang mit einer gelebt, ihre Verwesung von der Fliegenphase bis zum Skelett mitgemacht und mich identifiziert: Alle Bindungen und Abneigungen sind zusammen mit den Organen, in denen sie ihren Ursprung hatten, von mir abgefallen.«
»Ein Jahr lang? Das hätte mich um den Verstand gebracht.«
Ein nachsichtiges Lächeln. »Das war bei mir nicht anders. Für einen Mönch ist das, was die Welt geistige Gesundheit nennt, ein fauler Kompromiss.«
»Aber irgendetwas hat Sie gerettet. Sie wirken, als wäre jetzt alles in Ordnung.«
Er sieht mich fragend an. »Gerettet? Sie reden wie ein Christ. Sie können sich nicht mit der Hoffnung ins Unergründliche stürzen, dass das Ihnen die Erlösung bringt – Sie springen einfach. In einem nirwanischen Universum kann es keine Rettung geben, weil wir nie wirklich verloren sind. Die Optionen sind Nirwana und Unwissenheit. Das will der Buddha uns lehren. Wir sind die Summe unseres Begehrens. Kein Begehren, kein Sein.«
Ich gebe mich geschlagen und beschließe, ihn nicht weiter zu prüfen, weil ich mich damit nur selbst zum Narren mache. Also ziehe ich mich auf forensische Fragen zurück.
»Warum haben Sie mich aufgesucht, wenn Ihre Erleuchtung so aussieht?«
»Wie gesagt, meine Schwester findet keine Ruhe. Als Mönch habe ich natürlich nichts mehr mit ihrem Dharma zu tun, aber eine Restschuld ihr gegenüber bleibt.« Für »Schuld« verwendet er ein Wort, das in den westlichen Sprachen keine Entsprechung hat, jedoch in meiner Kultur den tiefsten bekannten Grad der Verpflichtung ausdrückt: gatdanyu, eine Art Blutschuld.
»Aber wie könnte ein einfacher Polizist wie ich einem Fast -arhat wie Ihnen helfen?«
Bilde ich mir das nur ein, oder zuckt er tatsächlich kaum wahrnehmbar zusammen?
»Ihr Geist fordert Gerechtigkeit«, sagt er, um erst nach einer ganzen Weile hinzuzufügen: »Warum stellen Sie mir keine Fragen, die die Ermittlungen voranbringen? Deshalb sind Sie doch hier, oder?«
»Na schön. Wissen Sie von der DVD?«
Keine Antwort, also sage ich: »Jemand hat sie mir anonym zukommen lassen. Ich vermute, Sie.« Noch immer keine Antwort. »Ich dachte, Sie wollen mir bei der Lösung des Falls helfen. Sie sind doch über die DVD informiert, oder?«
Er schweigt lange, bevor er erklärt: »Ich habe immer noch Kontakt zu meinem Dorf. Mönche dürfen durchaus E-Mails schreiben.« Eine weitere ausgedehnte Pause, dann: »Der Westen sieht seine Aufgabe darin, Körper und Gedanken in Produkte zu verwandeln. Er begreift nicht, dass der Rest der Welt das als obszön erachtet, als Korruption unseres nirwanischen Wesens.«
Wieder beginne ich an ihm zu zweifeln, sei es aufgrund eines Zuckens, einer Geste oder einer subtilen Veränderung seines Tonfalls, die seine Aussage gewöhnlich machte.
Ich hüstle. »Phra Titanaka, darf ich mir eine persönliche Frage erlauben?«
»Für einen Mönch gibt es keine persönlichen Fragen.«
»Dann im Dienste der forensischen Ermittlungen: Wie nahe standen Sie und Ihre Schwester sich?«
Sein Blick beginnt zu flackern. Plötzlich steht er auf und überquert den Hof zum bot. Ich verharre im halben Lotussitz, während er mit eleganten, bedächtigen Schritten, die safranfarbene Robe wallend, den Tempel betritt. Vermutlich erwartet er, dass ich verschwinde, und fast tue ich es. Doch dann beschließe ich zu bleiben und die gelassene Geschäftigkeit des wat -Lebens zu beobachten. Er wirkt nicht überrascht, mich wiederzusehen, als er eine Stunde später ein paar Meter von mir den halben Lotussitz einnimmt, und sagt mit jener merkwürdigen Abruptheit, die offenbar eine Folge seiner mentalen Disziplin ist:
»Wir standen uns am nächsten, als sie Anfang zwanzig war und ich ein Teenager. Sie sagte immer, es tue ihr leid, sich an meiner Schulter ausweinen zu müssen, aber anders könne sie es nicht ertragen. Wenn sie mir eine ordentliche Ausbildung finanziere, wäre ich vielleicht irgendwann in der Lage, alles besser zu begreifen als sie.«
»Hat sie Ihnen von ihren Kunden
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