Der buddhistische Mönch
erzählt?«
Ich beobachte fasziniert, wie seine Gelassenheit sich in Hass verwandelt. Es ist, als zöge er eine Gummimaske vom Gesicht und bringe ein Monster von einem fernen Planeten zum Vorschein. »Von jedem einzelnen verschwitzten, weißen, braunen, schwarzen, übergewichtigen, verzweifelten, verliebten, emotional verkrüppelten, perversen, beschissenen. Es fiel ihr sehr schwer, Begeisterung vorzutäuschen. Manchmal musste sie sogar so tun, als liebte sie sie – diese Arschlöcher.« Mit einem finsteren Blick fügt er hinzu: »Bevor sie ein abgestumpfter Profi wurde.«
Mir verschlägt es die Sprache ob seiner unvermittelten Persönlichkeitsveränderung, derer er sich nicht bewusst zu sein scheint. Noch etwas anderes bringt meine Nackenhaare dazu, sich aufzustellen: Gerade eben klang er genau wie Damrong, die gleiche Stimme, die gleiche Ausdrucksweise.
Ziemlich aus der Fassung sage ich: »Verstehe.« Immer noch grimmig, wendet er den Kopf ab. Seine Gelassenheit ist dahin; er beginnt, an seiner Robe zu nesteln, möchte mich loswerden.
Ich stehe auf, verabschiede mich mit einem wai von ihm und gehe. Mir wird klar, dass der Mann, der diese bitteren, unflätigen Worte ausgesprochen hat, nicht der Mönch Phra Titanaka war, sondern ein völlig anderer.
Benommen trotte ich über den Hof, vorbei an einem großen weißen chedi, dem ältesten Teil der Tempelanlage, und frage einen Mönch, wo ich den Abt finden kann. Er antwortet, er halte sich in dem bot auf, aus dem soeben Damrongs Bruder gekommen ist.
Der Abt, der mich im halben Lotussitz empfängt, ist ziemlich dick, ein perfektes Ebenbild des lachenden Buddha, und reagiert auf mein ehrfürchtiges wai mit einem Nicken. Ich verwende die höflichste Form der Anrede und achte darauf, meinen Kopf niedriger zu halten als er den seinen. Aus seinem fröhlichen Gesicht mustern mich wache Augen. Ich stelle mich ihm als Polizist vor, der im Fall der Schwester von Phra Titanaka ermittelt. Der Abt bestätigt, dass er dem sehr fromm wirkenden Khmer-Mönch Gastfreundschaft gewährt, der seit der vergangenen Woche hier weilt.
»Ist Ihnen irgendetwas Merkwürdiges an ihm aufgefallen?«
»Etwas Merkwürdiges? Wir Menschen bestehen darauf, uns auf einem Gräberfeld zu tummeln – ist das für ein spirituelles Wesen nicht grundsätzlich merkwürdig?«
»Er scheint zwei Persönlichkeiten zu besitzen, zwischen denen er im schnellen Wechsel hin und her springt.«
»Nur zwei? Haben Sie ein Problem mit den Augen? Sehen Sie ihn sich genauer an, dann werden Sie feststellen, dass er sich mit jedem Atemzug verändert. Genau wie ich. Und Sie.«
Ich verabschiede mich mit einem wai, danke ihm für seine weisen Worte und gehe.
23
Die unvermittelte Einmischung des Mönchs in den Fall hat mich in eine emotionale Sackgasse geführt. Meine Schuldgefühle wegen Noks Tod werden durch die immensen Leiden, die dieser junge Mann hinter sich hat, gemindert; außerdem steht mir der Sinn heute Nachmittag nach einer langen Massage. Zu diesem Zweck suche ich ein großes, ziemlich bekanntes Etablissement in einer Seiten soi von Sukhumvit und Soi 45 auf. Viele Leute nutzen die soi, in der sich allerlei Garküchen mit unterschiedlichstem Angebot befinden – geschmortes Schweinefleisch mit Reis; gekochtes Hühnchen mit Reis; somtan- Salatmit Klebereis; Mango und Klebereis plus jede Menge kong wan, Süßigkeiten –, als Abkürzung. Was du dir keinesfalls entgehen lassen solltest, farang, sind die knusprigen Pfannkuchen mit Kokosnusscremefüllung. Ich sehe zu, wie ein Händler sie auf traditionelle Weise zubereitet, indem er den Teig in die winzigen Löcher einer großen runden Pfanne gießt und dann süße Kokosnussmilch darübergibt. Weil das heutzutage nicht mehr allzu oft praktiziert wird, bin ich gezwungen, bisweilen zum Fastfood-Esser zu werden und zum Beispiel auf Bananenkuchen auszuweichen.
Zur Versöhnung habe ich die FBI-Frau eingeladen, mich zu begleiten, nachdem wir uns gestern gegenseitig mit Anrufen, SMS-Botschaften und E-Mails bombardierten, von denen nur die verletzendsten wirklich wert sind, hier aufgezeichnet zu werden:
Ich: Das ist hormonelle Ausbeutung. Du bist auch nicht anders als die Typen mittleren Alters, die sich an der Nana Plaza rumtreiben.
Die FBI-Frau: Und was war mit dir und Damrong? Wenn’s dich trifft, haben wir’s mit Cupido zu tun, mit Orion am Nachthimmel, mit Chakren und Lotusblütenblättern im Kopf. Aber wenn eine Amerikanerin sich verliebt, ist’s
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