Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
dass er zu mir rüberkommt.
„Du musst auch zum Meeting?“
„Auch?“, frage ich überrascht.
„Ich hab ebenfalls ein Personalgespräch. Gibt angeblich heute mehrere. Na ja …“
In meinem Kopf rast es. Ich bin innerlich so auf ein Sexmeeting eingestellt, dass es mir gerade vollkommen absurd vorkommt, dass Sören eine Stunde vor mir hoch soll. Entweder will Marco wieder mit ihm bumsen und hat für mich etwas anderes geplant, oder aber umgekehrt.
Dann trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag! Marco wird ihm gleich die Kündigung aussprechen! Was sonst sollte das zu bedeuten haben? Wenn er mich doch noch von einem Dreier überzeugen wollte, würde er mich ja ebenfalls schon früher bestellen. Überhaupt finde ich die Sache mit dem Termin ziemlich übertrieben. Sonst hat er auch nur kurz Bescheid gesagt und mich zwischendurch reingeschoben – obwohl es im wortwörtlichen Sinne ja eher andersrum war.
„Wir sehen uns bestimmt noch mal, bevor ich gehe“, sagt Sören.
„Ähm, ja“, antworte ich. Erst danach verstehe ich, was er damit meint. Offenbar geht er ebenfalls von einer Kündigung aus. Oder er weiß es schon … Irgendwie tut er mir richtig leid. Aber ich bekomme trotzdem nicht mehr raus, als dieses blöde Ähm, ja …
Als er weg ist, surfe ich wieder. Allerdings kann ich mich auf nichts wirklich konzentrieren. Auch wenn Marco Sören keine Versprechungen gemacht hat, was seinen Joberhalt angeht, ist es doch schon ziemlich hart, wenn er ihn einfach so rauswirft, nachdem er ihn gevögelt hat. Klar, Arbeit und Privatleben sind getrennte Bereiche. Marco ist jedoch von einer sauberen Trennung ungefähr so weit entfernt, wie der Kölnerdom von der Platte. Und nochmals wird mir klar, dass ich selbst im Grunde nichts hier zu suchen habe. Jeder BWL-Student dürfte besser für den Job geeignet sein als ich …
Um zehn vor sieben packe ich meine Sachen und gehe hoch. Ich hab keine Ahnung, wie genau es Marco um die Uhrzeit mit seinen Terminen nimmt. Da ich nicht riskieren will, erneut in Situationen reinzuplatzen, die mich gar nichts angehen, setzte ich mich noch eine Weile in die Lounge. Ich hasse Warten! Ich komme mir auch ziemlich bescheuert vor, dass ich gerade wahrscheinlich auf einen Sextermin warte. Wirklich Lust habe ich nicht. Komisch, dass ich mir nie so recht Gedanken gemacht habe, wie undurchsichtig Marco eigentlich ist. Bei Sören ist es offensichtlich. Marco dagegen erscheint mir immer ziemlich offen. Ich nehme ihm sogar seine Entschuldigungen ab und er schafft es irgendwie, dass ich doch nicht mehr so sauer bin und mit ihm in die Kiste springe. Mit der Zeit würde er es sicherlich auch hinbiegen, dass ich mich tatsächlich wieder ganz auf ihn einlasse. Aber dann ist da noch die andere Seite, die sich gern gut versteckt und insgeheim Pläne schmiedet, die sich nicht unbedingt vorteilhaft für seine Mitmenschen auswirken. Ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass Marco Sören mit dieser Kündigungsgeschichte zum Sex überredet hat und ihn nun doch feuert. Irgendwie weigere ich mich, das wirklich zu glauben. Aber ich kann auch bis heute kaum fassen, dass er mir Benny und den Schichtleiter auf den Hals gehetzt hat, nur um seine eigenen Rachegelüste zu befriedigen. Und wenn tatsächlich etwas dran ist an Lukas’ Behauptung, dass Marco selbst die Sexfilmchen ins Netz gestellt hat … Ich glaube, ich mache mir da oft was vor, von wegen, dass ich ihn kenne. Im Grunde gibt es wohl einen nicht unwesentlichen Anteil Marco, der mir so fremd ist wie der Marianengraben. Nur, was schließe ich daraus?
Plötzlich taucht Pascal in der Lounge auf. „Hi, du bist schon da.“
„Hallo“, antworte ich etwas gedehnt. Hatte ich wirklich erwartet, dass Marco allein hier oben ist? Mit einem Mal sind sämtliche Überlegungen weggewischt, weil mir Marco genau in diesem Augenblick wieder völlig durchschaubar vorkommt. An den Sekretär habe ich nicht mehr gedacht. Und der Plan, mit ihm und mir zusammen einen Dreier nach Feierabend hinzulegen, passt nun natürlich perfekt ins Bild.
„Kommst du?“ Pascal schafft es, die Frage ohne Doppeldeutigkeit zu stellen.
„Klar.“ Es irritiert mich, dass Pascal seinen Job so gut macht. Er könnte mich jetzt genauso gut zu meinem Kündigungsgespräch führen, anstatt zu einem heißen Sexdate, bei dem er selbst mitmacht. Die Situation kommt mir reichlich surreal vor. Schweigend gehen wir den Flur hinunter. Dann öffnet er mir die Tür zu Marcos Büro und winkt
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