Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
Deshalb schweige ich ebenfalls. Ich denke, dass ich bald ausziehen werde. Vielleicht komme ich sogar der Bitte meiner Eltern nach, und besuche sie. Die freuen sich, dass ich einen guten Job habe, doch im Grunde hätten sie es wohl lieber, wenn ich wieder meinen Semesterjob in der Chemie mache. Ein oder zwei Wochen Urlaub, das wäre sicherlich nicht verkehrt …
Wir sind da. Marco lächelt mich über das Autodach hinweg an, als wir aussteigen. Er sagt weiterhin kein Wort. Es fällt mir schwer, ihn anzugucken und nicht daran zu denken, dass er ein sexbesessener Bürohengst ist.
Wenig später steige ich aus dem Fahrstuhl, ohne mich zu verabschieden. Ich bereue nicht, was ich gestern getan habe. Daran werde ich wahrscheinlich noch ewig denken. Aber es fühlt sich komisch an, Sören gleich wieder an seinem Platz zu sehen. Auch darüber habe ich den ganzen Morgen schon nachgedacht. Im Grunde muss ich nicht nur bei Marco ausziehen, ich muss eigentlich zusätzlich meinen Job kündigen. Und falls Sören wirklich mit mir zusammen sein will, gilt Letzteres wohl für ihn ebenso. Da kann Marco noch so sehr auf Gruppensex stehen, ich habe zum ersten Mal erkannt, dass er auf seine eigene Weise ziemlich eifersüchtig ist. Und das Funken zwischen Sören und mir, die heißen Küsse, das beinahe zärtliche Vögeln, das alles hat ihm nicht gefallen. Erst zu Hause im Bett konnte er wieder vollkommen zufrieden sein, weil er mich für sich allein hatte. Ich denke, dass es im Grunde nur darum geht. Sexuelle Treue ist nicht so wichtig, solange Marco immer die Kontrolle behält. Er muss jederzeit eingreifen und die Situation bestimmen können. Und wenn es nur ist, dass er den zweisamen Moment zwischen Sören und mir stört, indem er ihm sein Ding reinrammt und mitmacht.
Seit gestern denke ich ziemlich häufig an die letzten Semesterferien. Das war das erste Mal, dass Marco mich wirklich loslassen musste. Davor habe ich zwar hin und wieder mit Lukas gevögelt, bin aber dennoch immer für ihn verfügbar gewesen. Für meinen Studentenjob allerdings musste ich seinen Einflussbereich verlassen. Und seine Reaktion: Er schickt mir einen Pornodarsteller auf den Hals und sorgt dafür, dass er per Videomaterial teilhaben kann. Bislang habe ich tatsächlich geglaubt, dass es bei der Geschichte hauptsächlich um Schichtleiter Werner gegangen ist. Doch allein Marcos Geständnis, dass es ein Liebestest war, spricht schon Bände. Trotzdem zweifle ich noch immer, ob ich mir das vielleicht nicht alles nur einbilde. Die Eifersucht, die man so kennt, mit Verboten und Kontrollen und dramatischen Szenen und Vorwürfen und so, das lässt sich viel leichter verstehen. Marco steckt aber keine herkömmlichen Grenzen, dreht nicht im üblichen Rahmen durch. Ich habe ja bis zum Schluss nicht mal gemerkt, was das mit Benny und Werner eigentlich für ein Spiel war! Und es hat – wenn ich denn nicht spinne – bis heute gedauert, dass ich da wirklich mal hintersteige. Ich glaube, dass Marco mir Scheinfreiheiten lässt, damit ich nicht merke, wie sehr er mich an sich bindet.
Und genau deshalb wird das mit Sören auch nicht funktionieren. Marco hat herausgefunden, dass es um mehr geht, als nur Sex. Wie bei Lukas …
„Guten Morgen!“
Toddys Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Morgen“, knurre ich zurück.
„Schlecht gelaunt?“
„Nee, nur …“ Ich weiß nicht, was ich bin. Erschüttert? Endlich durchblickend? Verängstigt? Unterschwellig noch wütender, als bisher schon?
Dann sehe ich zu Sörens Platz. Leer. „Was ist mit Sören?“
Toddy schaut mich irritiert an. „Wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit?“
Ich schaue auf die Uhr. Ich habe es in den ganzen Wochen kein einziges Mal erlebt, dass Sören nach mir am Arbeitsplatz war. Doch Toddy hat sicherlich recht. Plötzlich ist es mir peinlich, dass ich gefragt habe. Ich setze mich, um mich hinter den Monitoren verstecken zu können.
„Alles in Ordnung mit dir?“ Jetzt steht Toddy sogar auf.
„Ja-ja, ich bin nur …“ Ich rattere die Worte durch, die meinen Zustand in etwa beschreiben, allerdings nie ganz erfassen. Dann schüttle ich den Kopf. Toddy muss eh nicht die Wahrheit wissen, die ist nur für mich!
„… müde! Ich bin müde“, beende ich meinen Satz endlich.
„Aha …“, macht Toddy und setzt sich wieder. Nicht ohne mir vorher einen langen, skeptischen Blick zuzuwerfen.
Sören kommt nicht zur Arbeit.
Toddy fragt bestimmt vier oder fünf Mal, ob ich etwas weiß, weil ich
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