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Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Siegel des Verraters
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nicht so schlecht, wenn
Sturm hier bei uns bleiben würde. Ich müßte ihm allerdings
viel beibringen.«
Vertumnus schnaubte. »Er könnte dir auch einiges beibringen, Jack Derry, was Anstandsregeln, Staatswesen und
andere Dinge angeht. Du bist in die Höhe geschossen, mein
Sohn, aber mit fünf Jahren ist man erst ein grüner Baum
und auch ein grüner Junge.«
»Am Hof von Solamnia«, neckte Jack, »würde ich mit
fünf noch herumstolpern, mit Spielzeug spielen und bei der
kleinsten Kleinigkeit heulen, wie es der da bestimmt getan
hat.«
»Er hat nichts davon getan«, sagte Vertumnus ruhig.
»Selbst mit fünf Jahren.«
»So lange kennst du ihn schon?« fragte Jack. »Dann
kanntest du ja bestimmt diesen… seinen berühmten Vater.«
»Das war in einem anderen Leben, einem anderen Land«,
erwiderte Vertumnus träumerisch, während er die Flöte in
seinen Händen drehte. Die Raben ließen sich zu seinen Füßen nieder, wo sie aufmerksam herumhüpften und neugierig das helle, glitzernde Ding in der Hand des grünen
Mannes anstarrten. »Aber ich kannte Angriff Feuerklinge.
Hab’ in Neraka unter ihm gedient und bis dann sein Schloß
belagert wurde.«
»Was wurde aus Angriff Feuerklinge?« fragte Jack Derry.
»Hat der Junge gelobt, ihn zu finden?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht«, sagte Vertumnus
und hob die Flöte.
»Warum bringst du ihn dann zu uns, zerrst ihn an seiner
grünen Wunde her?« fragte Jack irritiert. »Du weißt nichts
über seinen Vater und – «
»Aber von wem sein Vater verraten wurde, das weiß ich«,
sagte Vertumnus. »Warum Agion Pfadwächter und die
Verstärkung Schloß Feuerklinge nie erreichten, wissen die
Solamnier längst, aber wer den Hinterhalt ermöglicht
hat…«
»Und du willst Feuerklinge bei seiner Rache helfen?«
fragte Jack.
»Nichts läge mir ferner«, erwiderte der Herr der Wildnis
gemessen. Und er setzte die Flöte an die Lippen und spielte
und erinnerte sich.Als Vertumnus spielte, kräuselte sich
das Wasser vor ihm. Ganz in seine Gedanken und Erinnerungen verloren, beschwor er einen fernen Winter herauf,
eine Zeit der Ankunft, als Lady Hollis ihn aus einem düsteren Schlaf zurückgeholt hatte.
Er hatte nie genau gewußt, was eigentlich geschehen
war. Er erinnerte sich an das mitternächtliche Treffen von
ihm und Fürst Bonifaz mit den Banditen, erinnerte sich an
sein Entsetzen, als Geld und Geheimnis vom Ritter zum
Räuber gewandert waren. Er erinnerte sich an das Nachspiel, wie man ihn beschuldigt hatte, den Orden verraten
zu haben, wie er nachts seiner Wache entwischt war, erinnerte sich an den Winter und den Marsch. Die sicheren
Mauern hinter ihm verschwanden, und der Schnee vor ihm
war wie ein Vorhang, als er blind und verrückt einen Weg
nach Osten suchte, eine freie Straße nach Lemisch. Nach
Hause.
Überall war es kalt, und das Schneegestöber tobte gnadenlos, und der Wind blies so laut, daß er bald Stolz und
Sicht und Verstand verlor.
Er erinnerte sich an das Fackellicht im fernen Lager, und
wie das Licht durch Dunkelheit und Schnee gewachsen
war, bis es ihm wie ein Mond oder eine Sonne vorgekommen war, nicht wie der Tod, den er dort eigentlich befürchten mußte. Er erinnerte sich, wie er in den Lichtschein getreten war, wie zerlumpte Männer ihn von allen Seiten angegriffen hatten, an die Flüche und die Schläge auf seinen
Kopf, dazwischen die wütenden Silben seiner Muttersprache. Trotz der niederprasselnden Schläge von Stock und
Keule und harter Faust hatte er antworten wollen, doch
dann hatte sich der plötzliche Schlag auf seine linke Schulter gesenkt, und der scharfe, schwarze Schmerz hatte über
seinem Herzen zugestochen… Die Welt war plötzlich weiß
geworden, dann dunkel. Dann nichts mehr.
Und schließlich erinnerte er sich an diesen Ort. Als er
wach wurde, hockte eine alte Hexe über ihm, die einen
langen, heilenden Spruch sang. Er erinnerte sich an jedes
einzelne der vielen Worte, denn so wie sie sang, brachte
jedes einzelne Wärme in seine Glieder und Atem in seinen
gelähmten Körper. Und mit jedem Wort fiel ein Jahr von
dem Gesicht der Sängerin ab, und sie erlangte eine verlorene, unvergleichliche Schönheit wieder – Mandelaugen,
braune Haut und schwarzes Haar, das glänzte wie der
Winterhimmel.
Langsam und voller Schmerzen hatte er sich bewegt –
erst einen Finger, dann eine Hand. Er hatte in das Gras unter sich gegriffen, einen Grashalm abgepflückt, dann noch
einen. Aber er war noch zu schwach.

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