Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
Halbelfen verletzen konnte. Raistlin sah, daß seine Worte getroffen hatten, denn Tanis stieg die Röte ins
Gesicht.
»Ich kann nicht schwören, daß der Spruch, den ich entdeckt habe, ein Portal öffnet oder ob alte Götter wie Sargonnas mehr als Sagen sind«, fuhr der Zauberer schroff
fort. »Ich weiß allerdings, daß es ein alter und mächtiger
Zauberspruch sein müßte. Und ich weiß eines: Wenn die
Möglichkeit besteht, daß Sargonnas in diese Welt eintritt,
dann ist es an uns, dies um jeden Preis zu verhindern.«
»Was ist mit Sturm und Caramon und Tolpan? Sind die
irgendwo auf dieser Insel?« fragte Tanis. »Sind die nicht
der Grund, warum wir eine so weite Reise hinter uns haben?«
»Ich kann keinen Zauberstab schwenken, um festzustellen, ob sie hier sind oder nicht«, fauchte Raistlin, »aber du
hast gehört, was Kirsig gesagt hat. Die Minotauren schließen Bündnisse mit anderen Rassen. Wenn, wie ich vermute, die Minotauren in ihrem uralten Traum befangen sind,
die Welt zu erobern, und dazu Sargonnas holen wollen,
damit er ihnen hilft, ist es egal, wo Caramon und die anderen sind. Wir schweben alle in höchster Gefahr.«
Raistlin hielt inne und atmete tief durch. Sichtlich ruhiger
fuhr er fort: »Das Jalopwurzpulver war nur eine der benötigten Zauberzutaten. Der Zauber verlangt auch ein akzeptables Blutopfer für Sargonnas. Ich vermute, daß man Caramon, Sturm und Tolpan vielleicht deshalb in diesen Teil
der Welt geschleppt hat. Einer von ihnen könnte das benötigte Opfer sein.
Wir haben wenig Zeit. Der Zauber kann nur bei bestimmten Konjunktionen von Sonne, Monden und Sternen
stattfinden. Diese Konjunktionen kommen nur alle hundert
Jahre einmal vor, und die nächste ist in nur drei Nächten.
Jetzt laß mich dir eine Karte zeigen, die ich aus einem alten Atlas in Morats Bibliothek abgemalt habe.«
Tanis wartete. Er war überzeugt. Mit Flint und Kirsig, die
die heftige Diskussion mitangehört und sich zu ihnen gesellt hatten, betrachtete der Halbelf ein Stück Pergament,
das Raistlin hervorgezogen hatte. Es war mit krakeligen
Linien und geographischen Symbolen bedeckt. Yuril und
die anderen Seefahrerinnen kamen eilig dazu. Alle drängten sich um den jungen Magier.
»Ich glaube, der Zauber wird irgendwo in oder bei den
alten Ruinen der Stadt Karthay gesprochen werden«, sagte
Raistlin. »Die Stadt wurde während der Umwälzung durch
einen Vulkanausbruch zerstört und unter tonnenweise Asche und Lava begraben. Für die Minotauren ist es ein heiliger Ort.« Er zeigte auf eine Stelle der Karte, wo ein Bergzug eingezeichnet war. »Sargonnas ist der Gott der Wüsten, des Feuers und der Vulkane«, fügte er hinzu.
»Der Karte nach müßten wir eigentlich rechtzeitig ankommen, aber die Reise dürfte gefährlich werden. Jedem,
dem diese Aussichten nicht zusagen, steht es frei, hierzubleiben und auf uns zu warten.« Dabei sah Raistlin auf,
schaute aber nicht Flint an, sondern Yuril und ihre Matrosinnen.
Diese hatten anscheinend schon über das Risiko gesprochen. »Ich habe eine offene Schuld zu begleichen«, meinte
die sehnige Yuril, »und meine Freundinnen hier ziehen
nicht zum ersten Mal auf Abenteuer aus. Ich spreche für
alle, wenn ich sage, daß wir unser Glück mit euch versuchen wollen.« Yuril hatte das voller Stolz gesagt. Eine Hand
lag am Griff des Kurzschwerts, das an ihrer Hüfte hing.
Man sah die Muskeln ihrer gebräunten Unterarme.
Wir können von Glück sagen, daß sie und die anderen
dabei sind, dachte Tanis.
»Diese tote Stadt«, meldete sich Flint, »ist doch sicher gut
bewacht, und Sturm und Caramon und der verwünschte
Kender ebenso. Was hast du vor, wenn wir dort sind?«
»Das weiß ich nicht«, gestand Raistlin. »Ich kann es erst
sagen, wenn wir wissen, wie viele Soldaten das Gebiet bewachen. Gemeinsam«, fügte er mit einem Blick auf Tanis
hinzu, »sollten wir einen Plan ausklügeln können.«
Tanis merkte, wie es ihm eng ums Herz wurde, weil er
einmal mehr an Kitiara dachte. Er wandte sich von der
Gruppe ab und tat so, als wollte er das unwirtliche Land
betrachten.Sie folgten Raistlins Karte und wählten einen
Pfad an einem Fluß entlang, der vor langer Zeit vom Dach
der Welt zum Meer geströmt war. Jetzt war er ausgetrocknet und hatte nur aufgesprungene, von der Sonne zusammengebackene Erde zurückgelassen.
Der Flußlauf führte durch zahllose Abgründe und
Schluchten bergauf und bergab. Nach Möglichkeit hielten
sie sich an das staubige Flußbett. Zu anderen
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