Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
Raistlin«, knurrte der Nachtmeister.
»Dieser Mensch ist nichts neben Euch, Nachtmeister«,
sagte Fesz verächtlich. »Er kämpft nicht einmal um sein
Leben!«
»Er bleibt gefesselt!« befahl der Nachtmeister. »Wenn er
etwas essen oder trinken will, bekommt er es. Aber unterschätzt ihn nicht. Bewacht ihn sorgfältig. Und jetzt laßt uns
schnell aufbrechen! Ich will kein Risiko eingehen, und vielleicht hat er nicht die Wahrheit gesagt, als er behauptet hat,
er wäre allein gekommen!«
Die Minotauren gehorchten eilig.
Tolpan stand langsam vom Boden auf. Er wußte, jede
Silbe des Nachtmeisters war nahezu heilig, aber der böse
Tolpan fand, daß der mächtige Schamane dennoch ein paar
Manieren zu lernen hatte. Während er geknickt seine
Schulter massierte, dachte der Kender an seinen guten, alten Hupak…Dogz war noch nicht sehr weit, als einer der
Minotaurensoldaten ihm hinterhergerannt kam.
Sie waren in einem anderen Teil der zerstörten Stadt, an
den Ruinen eines Säulengangs, den Überresten einer Mauer
und eingestürzten Balken.
»Vom Nachtmeister«, sagte der Soldat, der Dogz eine
Nachricht auf Pergament reichte.
Töte die Menschenfrau, lautete die Botschaft. Es war die
unverkennbare Schrift des Nachtmeisters.
Dogz zögerte. Das Menschenbündel über seinen Schultern versuchte zu schreien und zu treten, jedoch ohne Erfolg. Der riesige Minotaurus legte Kit auf den Boden und
stellte einen seiner gespaltenen Hufe auf sie, damit sie sich
nicht zur Seite rollte.
»Ich muß mit der Gefangenen reden«, sagte Dogz. »Warte auf mich.«
Der Soldat wich in die Schatten zurück.
Dogz schaute sich um. In der Nähe stand eine geborstene
Säule. Er schleppte Kitiara hin, nahm ein Stück Seil vom
Arm und wickelte es fest um sie und die alte Säule. Dann
nahm er ihr die Augenbinde ab.
Ihre Augen sahen ihn fragend an.
»Ich habe den Befehl, dich zu töten«, knurrte der Minotaurus einfach.
Kits dunkle Augen starrten ihn trotzig an.
Der Minotaurus sah sich um, bis er einen großen Steinblock sah. Dann ging er langsam hinüber und setzte sich.
Der Auftrag, die Menschenfrau zu töten, verstörte ihn –
zunächst einmal, weil diese Menschenfrau ein Freund des
Kenders Tolpan gewesen war, bevor der Kender böse geworden war, und dann, weil der Nachtmeister sein Wort
gegeben hatte, daß man die Menschenfrau freilassen würde.
Beide Gründe machten Dogz gleichermaßen zu schaffen,
und der Minotaurus grübelte lange vor sich hin. Schließlich
stand er auf und näherte sich der Menschenfrau. »Ich werde dich heute abend nicht töten«, sagte er einfach.
Er wollte ihr wieder die Augenbinde anlegen. »Ich bringe
dich nicht zurück zum Nachtmeister«, erklärte er. »Ich lasse dich hier, bis wir zurück sind. Dann werde ich entscheiden, was zu tun ist.«
Kitiara kämpfte wütend mit ihren Fesseln, weil sie etwas
sagen wollte.
Dogz hielt nachdenklich inne. »Wenn du zu schreien versuchst, schlage ich dir den Schädel ein«, sagte er. Dann entfernte er den Knebel.
»Es – es – es geht nicht um mich«, stammelte Kitiara halb
erstickt.
Der Minotaurus wartete.
»Es geht um Raistlin«, sagte sie. »Er ist mein Bruder.
Kannst du ihm irgendwie helfen?«
Der Minotaurus wollte den Knebel wieder anlegen.
»Warte!« rief sie leise.
Es folgte eine Pause, während der der Minotaurus sie
verächtlich anblickte. »Raistlin soll das Opfer sein«, sagte
Dogz. »Es ist eine Ehre für Raistlin, Sargonnas, den Gott
der Minotauren, in diese Welt einzulassen.« Wieder wollte
der Minotaurus sie knebeln.
»Dann vergiß Raistlin«, sagte Kit verzweifelt.
Dogz hielt inne.
Kits Gedanken überschlugen sich. Sie erinnerte sich an
die Unterhaltung von Dogz und Tolpan über Freundschaft
und Verrat, die sie mitangehört hatte. Das brachte sie auf
eine Idee. Vielleicht war es Raistlins einzige Chance.
»Du… du bist Tolpans Freund, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Dogz mißtrauisch.
»Dann gib ihm etwas von mir.«
Sie sagte ihm, was es war. Er riß die Augen auf.
Dogz wich vor Kit zurück, drehte sich um und trat gegen
den kalten, aschebedeckten Boden. Minutenlang stand er so
da, während Kit ihn beobachtete. Sie wußte, sie hatte ins
Schwarze getroffen. So merkwürdig es schien, aber der Minotaurus betrachtete sich als Tolpans Freund.
Langsam ließ Dogz den Knebel sinken. Kitiara verriet
ihm, wo das Ding war. Er suchte ihren Körper ab und fand
es. Es war sehr klein. Niemand hatte es bemerkt, als sie
durchsucht worden war. Und niemand würde
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