Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
sie morgen mittag hier sind.«
Zur Überraschung des Soldaten schien der Nachtmeister
sich an dieser Nachricht nicht im mindesten zu stören. Im
Gegenteil, er wirkte erfrischt und machte sich wieder an
die Arbeit. Eifrig schrieb er an die Ränder des Buches, das
er gelesen hatte.
Der Nachtmeister schaute auf. Diesmal wirkte er doch irritiert. »Ja? Ist noch etwas?«
»N-nein, Exzellenz«, stammelte der Soldat, der sich umdrehte, um zu verschwinden.
Gut, sagte der Nachtmeister zu sich. Die Menschen, die
angeblich von einem Zwerg und einem Elfen begleitet
wurden, waren unterwegs, und die Kyrie hatten sich ihnen
angeschlossen. Das kam allerdings unerwartet. Er würde
seinen Plan etwas ändern müssen, aber dafür war noch genug Zeit.
Hinter ihm nickten Fesz und die anderen Mitglieder der
Hohen Drei einander zu. Sie vertrauten der Weisheit des
Nachtmeisters.
Hinter ihnen schlief Tolpan… mit einem offenen Auge.
Hinter ihm hockte Kitiara lauschend in ihrem Käfig.
Der Tag wurde zur Nacht.
Tolpan schreckte aus dem Schlaf. Er stellte fest, daß er
eingedöst war. Es waren Stunden vergangen.
Das Heiligtum des Nachtmeisters brodelte vor Unruhe.
Fesz und die anderen beiden Minotaurenschamanen waren
dabei, Gegenstände in kleinen Kisten und Rucksäcken zu
verstauen. Ein paar Minotaurenwachen waren näher gekommen und schienen Befehle zu erwarten. Der Nachtmeister, auf dessen langem Tisch keine Zauberbücher und
Zutaten mehr lagen, stand in der Mitte des Lagers und erteilte Anweisungen.
Er trug seine volle Zeremonialkleidung. Büschelweise
strömten Federn und Glöckchen von seinem gehörnten
Kopf, und um die bulligen Schultern hatte er einen dunkelroten Umhang geworfen.
»He, was ist denn los?« fragte Tolpan gutgelaunt, als er
zu Dogz schlenderte, der eilig seine eigenen Sachen einpackte.
Dogz drehte sich zu dem Kender um. »Der Nachtmeister
sagt, es ist bald soweit«, meinte er feierlich. »Wir ziehen
über Nacht in ein neues Lager um, damit uns die Menschen
und Kyrie nicht finden, die auf dem Marsch hierher sind.«
Tolpan dachte über diese Nachricht nach. »Gute Idee«,
sagte der Kender begeistert.
Als Fesz Tolpan sah, eilte er herbei. Die Augen des
Schamanen glitzerten vor Aufregung. »Der Nachtmeister
hat erlaubt, daß du mitkommen darfst«, sagte Fesz. »Du
weißt gar nicht, was für ein seltenes Privileg das für einen
deiner Rasse darstellt. Eigentlich sind die einzigen Anwesenden bei diesem Spruch der Nachtmeister, die Hohen
Drei und das Opfer. Aber er meint, daß ein Kender als Vertreter einer Rasse, die für ihr Glück bekannt ist – besonders
ein böser –, Sargonnas nur gefallen kann.«
Tolpans Blick schoß zu Kitiara. Die Kriegerin stand
stocksteif mit großen Augen in ihrem Käfig. Ein Ohr hatte
sie zum Lauschen an die Holzlatten gelegt.
»Ich bin geehrt«, sagte Tolpan, der sich vor Stolz aufblies.
»Mehr als geehrt, ehrlich. Ich bin einfach platt. Ganz gleich,
welche kleine Rolle man mir bei dem großen Schauspiel
zugedacht hat, ich bin wirklich dankbar. Eigentlich sollte
ich dem Nachtmeister persönlich meinen herzlichsten
Dank aussprechen.«
Der Kender war bereits unterwegs zum Nachtmeister,
doch Fesz packte ihn am Kragen und hielt ihn zurück. »Ich
glaube nicht, daß es dem Nachtmeister jetzt passen würde,
wo er doch so viele andere, wichtige Dinge im Kopf hat«,
meinte Fesz mit gesenkter Stimme.
»Oh«, sagte Tolpan. »Das mag sein.«
Der Kender sah zu, wie zwei Wachen zu dem Holzverschlag gingen. Sie zogen die um sich tretende, schreiende
Kitiara Uth Matar heraus und legten ihr dann Beinketten
an. Die Arme banden sie ihr mit einem Strick auf dem Rücken fest.
»Falls ihr glaubt, ich lasse mich irgendeinem blöden Gott
der Finsternis opfern – oder daß ich gar zulasse, daß ein
verdammter Kender mitkommt und sich darüber amüsiert
– dann werdet ihr ein böses Erw-«
Die Minotaurenwachen stopften Kitiara mitten im Satz
einen Knebel in den Mund. Tolpan bedauerte das, denn er
war neugierig, wie um alles in der Welt Kit auf die Idee
kam, daß sie irgend jemand außer Sargonnas böse erwachen lassen könnte.
Der Nachtmeister hatte Kitiaras Ausbruch gehört. Sein
Rücken spannte sich. Jetzt fuhr er wütend herum und
stapfte auf die Kriegerin aus Solace zu.
Zornig spuckte er Kitiara ins Gesicht. Er hatte seine übliche Beherrschung verloren. »Du Tropfen Schleim! Du bist
es nicht wert, den Namen des Herrn der Finsteren Rache zu
erwähnen! Du bist es nicht
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