Der Bund der Drei
empfindlichsten Stellen gegenseitig Wunden, wie das eben nur ein Paar tun kann, in der Ehe oder in der Freundschaft. Alexej erklärte das Zusammenleben für aufgelöst und ließ seine Möbel verladen. Mit der unheilvoll-kalten Höflichkeit, die nun zwischen den beiden herrschte, hatten sie sich darüber geeinigt, daß natürlich auch Titus — ihrem Eide gemäß — abgeschafft werden müsse.
Sie boten ihn uns an, aber wir winkten ab, so schwer es uns auch fiel. Dafür gaben wir ihnen die Adresse eines adligen Fräuleins, das zweihundert Kilometer entfernt in einem Häuschen auf dem Lande lebte und eine erprobte Tierfreundin war. Die beiden schrieben ihr liebenswürdige Briefe und schickten ihr das Reisegeld. Als sie ankam und die Abschiedsstunde für Titus schlug, brachen Alexej und Wladimir zusammen, sanken sich in die Arme und beschlossen, sich wieder zu vertragen. Sie kauften dem verdutzten Fräulein zusammen eine kostbare Handtasche, einen großen Kasten Konfekt und einen noch größeren Rosenstrauß, setzten sie auf die Bahn und schickten sie — allein — wieder nach Hause. Dann rückten sie — zu dritt — wieder bei uns an. »Ich habbe ihm verrrziehen, dem Strrrrolch !« sagte Wladimir auf Alexej zeigend, »aber nurrr wegen Hund!« Wladimir wandte sich an den aufmerksamen Titus: »Du hast mich gekostet grraue Haare und Verrrsöhnung mit diese Parrrasit, komm, gib Kuß !«
Das war erst vor einigen Tagen. Weffi war schon bei uns. Cocki und Peter tobten so über den Besuch von Titus, daß wir sie wegsperren mußten. Weffi dagegen begann auf das niedlichste mit dem Gast zu spielen, während wir zu viert im Garten Kaffee tranken.
Erst standen sich die beiden Tiere schwarz-weiß, steif wie zwei Holzpferde, gegenüber. Dann sprangen sie mit kurzen, ruckartigen Bewegungen, Schnauze gegen Schnauze, umeinander herum, und plötzlich schlossen sie den großen Freundschaftsbund und flogen Seite an Seite, sich mit den Schultern berührend, über den Rasen dahin. Weffi kläffte nicht, er richtete sich nur manchmal, während die kurzen Schwänzchen der beiden Hunde wie Uhrwerke hin und her pendelten, an dem Großen hoch und sagte ihm »Wa-wawawa«, ein neckisches Geständnis seiner Liebe, ins Ohr. Titus verdrehte die Augen, die so an Peter erinnerten, schlüpfte zur Seite und legte dann Weffi seine Arme um den Hals. Es war ein immerwährendes Spielen und Kosen um uns herum, und erst nach einer langen Weile fiel uns auf, daß unser Gespräch versiegt war und wir nur mehr die beiden beobachteten. Ich sah mir die Gesichter der alten Freunde an, die das Leben gezeichnet und hart gemacht hatte. Sie waren jetzt von einem inneren Feuer, von einer milden Glut erleuchtet, befreit, erlöst... Und nun rief Wladimir an, unerwartet früh für seine Verhältnisse. Ich fragte ins Telefon:
»Du, Wladimir? Ist was geschehen ?«
»Eeentschuldige«, sagte die Stimme, »daß ich euch sozusagen in der Nacht störe (bei den Russen fängt der Tag erst spät an), aber könnt ihr mich heute gebrauchen ?«
»Natürlich! Kummer?«
»Sehrrrr!«
»Habt ihr euch schon wieder verkracht ?«
»Nein... «
»Gut, komm und bring Titus mit !«
Im Hörer war einen Moment Schweigen, dann Wladimirs Stimme, leise und heiser: »Titus tottt. Stuttgarter Seuche. Gestern nacht — darf ich kommen ?«
»Titus — um Gottes willen! Also, komm schnell! Und was ist mit Alexej ?«
»Unmöglich, ich werde errrzählen .«
Schweigend legte ich den Hörer auf, und mein Blick traf Weffi, der sich auf der Couch zusammengekringelt hatte, mich traurig ansah und ein paarmal schüchtern wedelte.
»Was ist denn los ?« fragte Frauchens Stimme aus dem Nebenzimmer. Ich nahm Weffi, setzte mich zu ihr, das kleine weiße Pferd auf dem Schoß: »Titus ist tot .«
»Nein!«
»Doch, Wladimir kommt her .«
»Natürlich! Aber — wie ist denn das passiert ?«
»Stuttgarter...«
Und dann schwiegen wir beide und sahen Weffi an, während der gleiche Gedanke in uns keimte.
»Vielleicht ist das ein Wink des Schicksals«, sagte Frauchen, »Alexej liebt doch Weffi so, und er ist ihm gleich auf den Schoß gehopst, als sie letzte Woche hier waren...«
Ich drückte das kleine weiße Bündel an mich und erwiderte leise: »Vielleicht — wollen sehen...«
Eine halbe Stunde später war Wladimir da, mit Alexej im Schlepptau. Der war total betrunken und wurde in einen Sessel gelehnt. Er sah plötzlich so alt aus... Wladimir begann zu erzählen, wie es gekommen war. Cocki und Peter
Weitere Kostenlose Bücher