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Der Bund der Illusionisten 1

Der Bund der Illusionisten 1

Titel: Der Bund der Illusionisten 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larke Glenda
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glaubte. Über uns erstreckte sich die purpurne Weichheit des Himmels mit seinen blauen Lichtspitzen und den Wirbeln aus Sternenstaub; unter uns sahen wir das Glitzern von bläulichem Frost und hörten das Knacken und Knirschen der Tatzen… Nein, es gab keinen Grund für Worte. Ich befand mich jenseits von ihnen.
    Wir hatten keine Zeit, um eine Pause zu machen. Wir waren noch einen ganzen Nachtritt von einem sicheren Ziel entfernt und mussten unablässig und gleichmäßig reiten. Gelegentlich zog Temellin sein Schwert und schwang es in einem Bogen vor sich. Jedes Mal, wenn es kurz aufflammte, nahm er eine leichte Richtungsänderung unserer Route vor.
    Wir hielten auch nicht an, als wir an einem Dutzend stummer und reifüberzogener Gestalten vorbeikamen, die halb im Sand vergraben waren, halb ihre zerfetzten Knochen und verwestes Fleisch offenbarten. Temellin schien sie nicht zu bemerken, aber mir krampfte sich das Herz schmerzhaft zusammen, als ich sie wiedererkannte. Der Anblick der Lanze, die immer noch in einer fleischlosen Hand steckte, der Fibel eines Legionärsumhangs, die sich in ledrige Haut gegraben hatte, oder auch der metallenen Kettenglieder, die sich an weißen, gebogenen Rippen verfingen und im Sternenlicht glänzten, war unmissverständlich– es waren die Reste eines Harnischs. Und jenseits der Männer fanden sich die Skelette von Tieren mit pockenvernarbten und angenagten Hörnern in der Mitte der knochenweißen Schädel. Entsetzt wandte ich den Blick ab.
    Im Licht unmittelbar vor der Dämmerung erhaschte ich einen ersten Blick auf das Ende der Zitterödnis: eine dunkle Silhouette, die sich quer über den Horizont erstreckte, die ununterbrochene zerklüftete Linie eines niedrigen Grats, der sich vom malvenfarbigen Himmel abhob. Temellin sprach jetzt zum ersten Mal. » Das ist die erste Strebe«, sagte er. » Dort sind wir in Sicherheit.«
    Die Morgendämmerung brach an: ein Lichtstrahl, der von hinten über die Ebene schoss und unsere Schatten vor uns her rasen ließ. Sie berührten den Stein der Strebe, die jetzt in den dunkelroten Ton frisch vergossenen Blutes getaucht war. Die Sleczs beschleunigten ihre Schritte; auch sie waren sich bewusst, dass die Zeit, die ihnen noch blieb, mit der Dunkelheit verschwand.
    Â» Keine Sorge«, sagte Temellin neben mir. » Wir werden es schaffen.«
    Aber schon bald zweifelte ich an seinen beruhigenden Worten. Das Knirschen unter den Tatzen unserer Reittiere war verstummt. Sie waren gezwungen, langsamer zu gehen, als die Kruste bei jedem Schritt leicht brach. Als ich mich etwas später erneut umsah, sah ich überall dort, wo die Kruste aufgebrochen war, Sand aufsteigen. Noch tanzten die Sandkörner nicht richtig; der Sand brodelte vielmehr, brach immer wieder auf und fiel dann zurück, um wieder aufzubrodeln und zu platzen. Die weiße Ebene ein Stück voraus war ebenfalls nicht mehr zu sehen; der Frost war geschmolzen.
    Â» Temellin«, begann ich. Angst und Erregung vermischten sich. Ich wusste, dass meine Augen schimmerten.
    Â» Vertrau mir.« Er lachte und ließ seinen Emotionen freien Lauf. Er war beschwingt und genoss den Wettlauf gegen die Zeit, die Möglichkeit zu sterben, die Freude, die er erwartete. » Ich bringe dich in Sicherheit. Glaub mir, du hast keine Chance, dich dem zu entwinden, was ich heute noch mit dir zu tun gedenke.«
    Als die Strebe in Reichweite war, erklang das Lied der Zitterödnis wieder. Die Sleczs wurden unsicher, schlingerten beinahe, als die Sandkörner sich erhoben und um ihre Beine legten. Auf dem letzten verzweifelten Stück zu dem Felsgestein vor uns falteten sie sogar die Fressarme auseinander und benutzten die gekrümmten Finger wie zwei zusätzliche Füße, um sich auf dem ruhelosen Sand halten zu können. Die Spuren hinter uns wirkten jetzt wie eine gepflügte Furche, die durch ein ödes, kahles Feld führte.
    Und dann waren wir in Sicherheit. Das Felsgestein war unter unseren Füßen, und unsere Reittiere blieben stehen und ließen vor Erschöpfung die Köpfe hängen.
    Garis stieß einen lauten Schrei aus und lachte. » Ha– das war Wahnsinn!«
    Brand schüttelte den Kopf und murmelte etwas von wegen jung und dumm.
    Ich sah mich um. Die längliche rote Strebe, die wie eine scheinbar endlose Falte den Sand durchschnitt, war an den flacheren Stellen kaum breit genug für einen

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