Der Bund der Illusionisten 1
zehnminütigen Ritt. Aber sie war nur selten flach. Sie bestand aus einer natürlich geformten Abfolge von Biegungen und Höhlen und Spalten, deren Wirkung durch Licht und Schatten noch verstärkt wurde. In der Sonne blendete das Rot beinahe; Schatten dämpften es, so dass es mahagoni- oder rostrot wirkte. An einigen Stellen war der Stein so stark gefaltet, dass einige Nischen und Ecken ständig im Schatten lagen; an diesen Stellen sammelte sich das Wasser von Tau und Frost in kleinen Teichen.
In diesem Moment bemerkte ich allerdings kaum etwas davon. Ich lieà meinen Blick über eine flache Stelle schweifen und sah, was sich auf der anderen Seite dieses Kräuselgesteins befandâ und mein Herz machte trotz all meiner Erschöpfung einen Satz. Alles, was ich sah, war Sand und noch mehr Sand. Auf der anderen Seite der Strebe begann die Zitterödnis erneut, erstreckte sich, so weit das Auge reichte.
Ich warf Brand einen vielsagenden Blick zu und rutschte von meinem Slecz herunter.
Temellin stieg neben mir ab und trat zu mir. Sein Blick war mitfühlend. » Man braucht fünf Nächte, um die Zitterödnis zu durchqueren«, sagte er. » Vier Steingrate wie dieser hier ziehen sich von einer Seite zur anderen durch die Wüsten. Wir müssen jeden Tag vor der Dämmerung eine Strebe erreichen. Wie du sehen kannst, gibt es auf ihnen Schutz und Wasser und Schatten und festen Boden. Hier sind wir sicher. Du kannst sogar baden. Es gibt keinen Grund, so unglücklich dreinzublicken.«
Er lächelte mich an, und plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so müde.
Wir fanden eine schattige Höhle, in der wir die Tiere tränken und ihnen den Futterkuchen zum Fressen geben konnten, den wir bei uns hatten. Ein weiterer Einschnitt in einer Klippe gewährte uns Schatten. Als wir gegessen hatten, verschwand Temellin jedoch. Ich saà da und wartete, ganz und gar nicht enttäuscht. Als er zurückkehrte, winkte er mich von den anderen weg. Ich trat wieder zu ihm in die Sonne, zuckte bei der schon jetzt heftigen Hitze zusammen. » Ich habe einen Platz gefunden«, sagte er. » Komm mit.«
Er reichte mir seine linke Hand, aber statt ihm meine rechte zu geben, gab ich ihm auch meine linke. Die Berührung seines Cabochons an meinem war die Droge, die ich benötigte, um mir zu versichern, dass ich begehrenswert warâ und begehrt wurde.
Er hatte eine Höhle für uns gefunden, eine Mulde, so rund und glatt wie eine ausgehöhlte Melonenhälfte und gerade groà genug für die zwei Schlaffelle, die er hineingelegt hatte. Ein Stück tiefer, immer noch im Schatten, befand sich eine ebenfalls runde Vertiefung mit eiskaltem Wasser.
Er nahm mich in die Arme und flüsterte: » Dein Bad wartet auf dich.« Am Ende war es allerdings das Bad, das warten musste. Als wir erst nackt waren und einander in den Armen lagen, konnten wir die Flamme der Gefühle nicht davon abhalten, sofortige körperliche Vollendung zu verlangen. Wir waren voneinander berauscht, trunken von unserem Geruch und Geschmack und den gegenseitigen Berührungen; unerträglich erregt durch unsere Begierde und dann wieder berauscht von ihrer Befriedigung. In diesem Moment war die Vorstellung, dass ich irgendetwas tun könnte, das den Tod dieses Mannes bewirken könnte, vollkommen undenkbar.
Als wir danach nebeneinanderlagen, weinte ich über das Wunder dieser Erfahrung. Da lag erâ nackt, vollkommen, mit wohlgeformten Oberschenkeln, einem kräftigen Gesäà und strammen, muskulösen Beinen. Unsere linken Handflächen berührten sich immer noch, damit wir jede Nuance unserer gegenseitigen Emotionen fühlen konntenâ oder zumindest so viel, wie wir bereit waren, einander mitzuteilen. Als ich mich jedoch fragte, ob ich wohl jemals wieder mit einem geringeren Liebhaber zufrieden sein könnte, als ich mich daran erinnerte, dass ich die Aufgabe hatte, ihn zu verraten, verbarg ich mein Schuldgefühl vor ihm. Sogar jetzt befand sich in meinem Hirn ein Teil, der Möglichkeiten durchspielte. Wie diese: Wenn Tyrans verhindern wollte, dass die Karden die Zitterödnis durchquerten, mussten sie einfach nur alle Sleczs töten. Oder diese: Die Eisernen mussten die Apenaden gar nicht überqueren. Sie brauchten sich nur Sleczs zu suchen und sich von ihnen über die Zitterödnis tragen zu lassen, wie die Karden es zu tun pflegten. Sie konnten den Karden die
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