Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bund der Illusionisten 1

Der Bund der Illusionisten 1

Titel: Der Bund der Illusionisten 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larke Glenda
Vom Netzwerk:
den ich als Vater geliebt hatte. Von dem Mann, der mein Vater gewesen war. Den ich geliebt hatte. Der mich benutzt hatte. Der zweifellos alles verachtet hatte, was ich gewesen war…
    Tränen liefen mir ungebeten über die Wangen. Tränen bei Ligea Gayed? Sie weinte nicht, niemals. Aber ich war auch noch nie so völlig beraubt worden. Ich hatte meine Kehle noch nie so zugeschnürt erlebt, noch nie ein derart zermalmendes Gefühl von Verrat empfunden, der mein ganzes Leben zu einer Lüge machte.
    Und doch hatten sie die Waffe gut geschmiedet, diese zwei grausamen Männer von Tyr. Ich war immer noch eine Frau aus Tyrans– oder nicht?

15
    Meine Kleidung war für diese Nächte nicht geeignet. Die reglose Luft war kalt, und die Kälte kroch in meine Knochen. Der Sand unter den Füßen der Sleczs war vereist und hart, und vor uns klammerte sich die letzte Strebe an einen purpurnen, sternenübersäten Himmel. Die Sterne leuchteten wie das Glitzern der Sonne auf dem Meer. Die Zitterödnis: ein Land, das tagsüber von einer unbarmherzigen Hitze verzehrt wurde und unseren Körpern nachts die Wärme stahl; ein Land, das so leicht töten konnte und doch eine verführerische Schönheit besaß, die noch lange im Gedächtnis haften blieb.
    Ein Land, das so rätselhaft war, dass es mir Furcht einflößte.
    Mein Kopf pochte. Die seltsamen Ereignisse am Tag zuvor waren real gewesen; das Schwert diente mir als Beweis. Und die Visionen mussten ebenfalls real gewesen sein. Ich war tatsächlich in den mörderischen Sand gegangen und hatte überlebt. Etwas, das nicht menschlich war, hatte zu mir gesprochen. Etwas hatte mir eine Vision von unaussprechlicher Brutalität gezeigt. Und etwas hatte mir etwas gesagt, worüber ich nicht nachdenken wollte.
    Mir war elend. Ich war verwirrt. Ich hatte Angst.
    Und dann hatte Brand mit seinen höhnischen Worten diese Erinnerungen in mir auftauchen lassen… hatte er überhaupt eine Ahnung, was er mir angetan hatte? Er hatte mir meine Illusionen geraubt. Was hatte ich jetzt noch, das anstelle des Gespötts über zerstörte Kindheitsträume hätte treten können? Die Liebe eines Sklaven etwa? Das glaubte ich nicht. Oder die Liebe eines Feindes, eines Mannes, dem es vorherbestimmt war, eine andere zu heiraten? Auch das wohl kaum. Nein, alles, was ich in diesem leeren Raum hatte, war der Pesthauch, der nach dem größten Verrat zurückblieb.
    Ich zitterte.
    Â» Frierst du?«, fragte Temellin.
    Wir bewegten uns im Schritttempo voran, weil dieser letzte Sandstreifen anscheinend schmal war und es keinen Grund gab, uns zu beeilen. Garis und Brand waren bereits vor uns; sie führten auch die Packsleczs und unterhielten sich miteinander. So, wie es sich anhörte, amüsierte Garis sich.
    Â» Ob ich friere? Ja, ein bisschen.« In der weiten Leere dieser Landschaft kam mir meine Stimme zerbrechlich vor, wie das Wimmern eines Wurmes vor der Macht eines Gottes.
    Er fingerte in seiner Satteltasche herum und warf mir dann eine Decke aus Sleczwolle zu. » Leg dir das um.«
    Ich lächelte zum Dank und legte mir die Decke um die Schultern. Dann fragte ich ihn das Erstbeste, das mir in den Sinn kam. Alles, um nicht mehr an das denken zu müssen, was am Tag zuvor passiert war. Alles, um nicht mehr Ligea Gayed zu sein.
    Â» Ist die Sklaverei der einzige Grund, weshalb du gegen Tyr kämpfst?«, fragte ich.
    Ich hatte es bisher vermieden, über die Politik der Karden zu sprechen. Ich hatte darauf geachtet, mich nur so zu verhalten, wie es der Persönlichkeit einer Frau entsprach, die als Sklavin aufgewachsen war. Die Zeit für diese Art Vorsicht war jedoch jetzt vorbei. Ich hoffte, dass Temellin mir inzwischen vertraute, und ich musste weit mehr erfahren, als ich bisher wusste. Weit mehr als das, was ich durch Beobachtung und kluges Lauschen erfahren konnte.
    Â» Wieso fragst du?«, entgegnete Temellin.
    Â» Du riskierst so viel«, sagte ich, meine Worte mit Bedacht wählend. » Ihr alle tut das. Hast du irgendeine Vorstellung davon, was euch zustoßen kann?«
    Er zuckte die Schultern, als wäre es ihm gleichgültig.
    Â» Ich glaube nicht, dass du es wirklich verstehst«, sagte ich und spürte, dass das Drängen, das ich empfand, aufrichtig war. » Hör zu, lass mich dir von einem Ort namens Crestos erzählen. General Gayeds Bruder war dort einige Jahre Statthalter, und

Weitere Kostenlose Bücher