Der Bund der Illusionisten 1
die Gayed-Familie pflegte dort Ferien zu machen. Es ist eine groÃe Insel im Issischen Meer. Vor zehn Jahren etwa haben die Crestaner gegen die Tyranische Herrschaft rebelliert. Sie haben die Legionen vertrieben und jeden Tyraner getötet, den sie auf der Insel finden konnten. Man lieà sie ein oder zwei Jahre in Ruhe, aber nur, weil der Exaltarch seine Rache sorgsam geplant hat. Er hat eine neue Flotte zusammengestellt, hat Legionäre auf jedem Strand von Crestos landen lassen und alle Männer im Alter zwischen zwölf und sechzig töten lassen. Dann hat er die Insel mit tyranischen Soldaten, die sich aus dem militärischen Leben zurückziehen wollten, wieder auffüllen lassen. Sie erhielten Anwesen auf dem Land oder in der Stadt. Der einzige Haken war, dass es ihnen nicht gestattet war, eine Frau mitzunehmen. Du kannst dir also vorstellen, was passiert ist. Jedes Kind, das danach auf Crestos geboren wurde, ist halb tyranisch.«
Er nickte. Seine Gefühle waren gedämpft. » Ich habe von der Geschichte gehört.«
» Als ich etwa dreizehn war, bevor all das passiert ist, war ich einmal mit der Gayed-Familie auf Crestos. Ich erinnere mich an eine friedliche, blühende Nation mit einem lebhaften Handelszentrum und Hafen, einem schönen Theater und einigen der besten Bildhauer im ganzen Exaltarchat. Die Leute haben damals ein gutes Leben geführt. Am Ende hatten sie nichts mehr. Nicht einmal ihr Geschlecht konnten sie weiterführen. War es das wert, Tem? Ist das, was du hier tust, das Risiko wert?« Um meiner Besorgnis ein bisschen Glaubwürdigkeit zu verpassen, fügte ich hinzu: » Ich will nicht, dass du stirbst.«
Er lächelte mich an. » Das hoffe ich doch.«
» Dann könntest du vielleicht verhandeln. Lass die Magori dem Exaltarchen die Treue schwören, als Gegenleistung dafür, dass Kardiastan von der Sklaverei befreit wird. Kardische Sklaven sind in Tyr nicht sehr beliebt, das weià ich. Es wäre kein groÃer Verlust für das Exaltarchat, und sie würden eine ganze Reihe von Legionären einsparen, die hier stationiert sind.«
Er wölbte eine Braue. » Ist die Idee von dir oder der Legata?«
» Ich glaube, dass sie vorhatte, dem Statthalter etwas in der Art vorzuschlagen. Sie könnte es zustande bringen.« Vielleicht.
» Du verstehst das nicht«, sagte er. » Wie könntest du auch? Du bist hier nicht aufgewachsen! Das ist unser Land, Derya. Unseres! Es gehört Bator Korbus und seinen Legionen nicht. Es ist unser Recht, uns selbst zu regieren. Frei zu sein. Zu entscheiden, was für Gebäude wir haben möchten, was für Gesetze, was für Strafen für Missetäter. Zu entscheiden, wie wir unsere Kinder groÃziehen wollen und welche Sprache sie lernen sollen.«
Ich packte die Decke um meine Schultern fester, um die Kälte fernzuhalten. » Aber hat Tyrans euch nicht auch viele Vorteile gebracht? Das tyranische StraÃensystem zum Beispiel.«
» Das mit dem Blut und Schweià von kardischen Sklaven errichtet wurde.«
» Die Theater. Die Stadien. Die Spiele. Die Schulen. Die Bäder. Die Bibliotheken. Ich habe all das in Sandmurram und Madrinya gesehen. Es würde mehr davon geben, wenn hier Frieden herrschen würde.« Ich hörte eine Spur Verzweiflung in meiner Stimme und wunderte mich selbst darüber.
» Alles mit der Arbeit von Sklaven erbaut, nach dem tyranischen Modell. Die Theater spielen Stücke, die mit uns nichts zu tun haben, in einer Sprache, die nicht die unsere ist, und sie spielen Musik, die nicht die unsere ist. Die Spiele fördern eine wetteifernde Kultur, die uns fremd ist. Die Schulen würden unsere Kinder zu Tyranern erziehen, wenn sie das könnten. Sie versuchen es ganz sicher. Aber es entspricht nicht unserem Brauch, nackt in der Ãffentlichkeit zu baden und hinterher so zu tun, als wäre man von einem Schwarm Sklavenâ oder sogar den Bedienstetenâ dazu verleitet worden. Und in den Bibliotheken gibt es keine Werke, die von uns geschrieben wurden. Tatsächlich haben sie alle Bücher und alle Schriftrollen in kardischer Sprache, die sie gefunden haben, zerstört. Wir haben unsere Literatur durch die Verkündung Tyranischer Gesetze verloren, Derya. So viel ist uns genommen wordenâ kannst du das nicht verstehen? Denn wenn du das nicht kannst, solltest du nach Tyrans zurückkehren. Alles, was wir wollen, ist uns selbst
Weitere Kostenlose Bücher