Der Bund der Illusionisten 1
erlaubt?«
» Ich wünschte, ich könnte es dir sagen. Niemand von uns weiÃ, was wirklich geschehen ist, zumal sich die Illusionierer entschieden haben, es uns nicht mitzuteilen. Nach dem Einmarsch der Tyraner war Korden der älteste von allen Magoroth, die noch am Leben waren: Er war zehn. Ich war erst fünf. Niemand von uns wusste, welche Entscheidungen der Illusionistâ mein Onkel Soladâ getroffen hatte oder warum. Die Imagos und die Theuros, die mit uns kamen, wussten es nicht. Wieso hatte Solad uns in die Illusion geschickt? Hatte er gespürt, dass die Magoroth jeden Moment verraten werden würden, und uns weggeschickt, um uns zu retten? Er hat denjenigen, die uns mitgenommen haben, erklärt, wie man die Zitterödnis durchquert. Wie hat er das herausgefunden? Niemand hat so etwas je zuvor getan. Niemand hat es auch nur versucht; es war uns verboten, es zu versuchen. Welchen Handel hat Solad mit den Illusionierern geschlossen, dass wir jetzt hier Zuflucht finden können? Niemand hat es direkt erfahren, auch wenn ich glaube, dass ich eine Andeutung erhalten habe, als mir das Schwert gegeben wurde.«
Er unterbrach sich abrupt und biss sich auf die Lippe, aber Worte, die einmal ausgesprochen sind, kann man nicht zurückholen.
Ich ging sofort darauf ein. » Als dir dein Schwert gegeben wurde?«
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und wirkte zerknirscht. » Tut mir leid. Ich sollte dir darüber nichts erzählen, noch nicht. Es ist nur⦠es gab Andeutungen, dass der Preis des Handels, den Solad abgeschlossen hatte, noch nicht bezahlt wurde, aber eines Tages würde bezahlt werden müssen. Die Illusion hat uns erst einmal gerettet; die Illusionierer dulden uns und richten die Illusion so aus, dass wir nicht zu sehr unter ihrer Unvorhersehbarkeit leiden müssen. Es wird jedoch irgendwann eine Abrechnung geben, und vielleicht wird es schwierig werden, die Entlassung aus unserer Verpflichtung zu bewirken. Für uns. Für mich.«
» Aber du wirst zahlen?«
Sein Gesicht wirkte grau, als er jetzt antwortete. » Ja. Ich glaube, wir müssen zahlen, was immer für ein Leiden das auch verursachen wird. Wenn mein Onkel einen Handel abgeschlossen hat, müssen wir ihn erfüllen. Es nicht zu tun würde bedeuten, mit einer Katastrophe zu liebäugeln, die unvorstellbare AusmaÃe annehmen könnte. Die Magori brauchen die Mithilfe der Illusionierer, sonst wird es in Zukunft keine Cabochone mehr geben und damit auch keine Magori mehr.«
Ich starrte ihn an. Da war so viel Schmerz in seiner Stimme. Ich konnte nur vermuten, dass es da noch etwas gab, das er mir nicht sagte; etwas so Schreckliches, dass er es nicht in Worte fassen konnte. Mir fiel meine Vision in der Zitterödnis wieder ein, und ich fragte mich, ob wir beide mehr als nur eine Ahnung davon hatten, was das für ein Handel sein mochte.
Kindstötung.
Nein, denk nicht darüber nach. Temellin ist nicht so. Er würde niemals Kinder töten.
Und doch sah ich nichts als Verzweiflung, als unsere Blicke sich trafen. Ich wollte ihn in die Arme nehmen, wollte ihm die Qual erleichtern, aber mein Instinkt sagte mir, dass das alles nur noch schlimmer machen würde. Er war zu sehr daran gewöhnt, seine Bürde allein zu tragen; vielleicht hatte ihm nie jemand beigebracht, sie mit jemandem zu teilen. Vielleicht war Miasa keine sehr wahrnehmungsfähige Frau gewesen, oder vielleicht lag es auch nur daran, dass sie gegangen war und er längere Zeit niemanden mehr gehabt hatte, mit der oder mit dem er seine Sorgen hätte teilen können. Er würde sich mir ohnehin kaum anvertrauen, nicht, wenn ein Teil der Zehn mir gegenüber so misstrauisch war. Nicht, wenn er sich meiner Loyalität nicht absolut sicher sein konnte.
Ich wandte mich wieder um und betrachtete das Land vor uns. Ich konnte nicht entscheiden, ob es wunderschön oder wahnsinnig war. Nichts war, wie es sein sollte. Blaue Federn wuchsen anstelle von Gras und bimmelten metallisch in der Brise. Der Himmel war rosarot und durch Linien zersplittert, so dass er wie zersprungenes Glas wirkte. Da war eine bezaubernde Steinbrücke, die über nichts weiter als Rosenbüsche hinwegführte, und eine StraÃe mit Mosaikpflaster, die sich am Ende in einen Wasserfall verwandelte. Die Tiere, die von den Federn eines nahen Feldes fraÃen, hatten grünes Fell, schwarze Barthaare und keine FüÃe; ein Vogel
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