Der Bund der Illusionisten 1
gegeben hatte und der eine willkommene Ergänzung bot: ein Badezimmer. Die Illusionierer hatten anscheinend mein Unbehagen bemerkt, als ich in der Nacht zuvor gezwungen gewesen war, den Eimer zu benutzen, den meine Kerkermeister mir hingestellt hatten; dieser Ausdruck pragmatischer Aufmerksamkeit rührte mich sehr.
Die anderen Veränderungen waren weniger nützlich. Es gab ein groÃes Loch in der AuÃenwand, als hätten die Illusionierer gewollt, dass ich mich so fühle, als wäre ich gar nicht eingesperrt. Ich wusste aber, dass es sich anders verhielt. Ich konnte die Schutzzauber spüren und wusste, dass ich mit oder ohne Aussparung genauso wirksam eingesperrt war, als hätte man mich angekettet. An den anderen Wänden befanden sich jetzt Gemälde, die allesamt lächerlich wirkten: Menschen mit drei Augen und schiefen Gesichtern oder mit vier Armen und ohne Beine, oder welche, die halb Mensch, halb Insekt waren. Es gab Aberhunderte dieser Gemälde, und die Menschen auf ihnen machten alle etwas anderesâ sie standen Kopf, schwammen im Himmel, schnitten sich die Zehennägel mit einer Axt, tranken Suppe durch ein Sieb, gebaren Blumen durch Brüste⦠wäre ich in der Stimmung für Absurditäten gewesen, ich hätte Stunden damit verbringen können, sie genauer anzusehen, ihren Rätseln nachzujagen und über ihre Freuden zu lachen.
Stattdessen blieb ich den gröÃten Teil des Tages auf meiner Pritsche liegen, starrte zu einer Decke hoch, die aus wogenden Wasserwellen bestand, die der Schwerkraft trotzten, und sah nichts von alledem. Ein Imago, den ich nicht kannte, brachte mir meine Mahlzeiten. Er hieà Reftim, wie er erklärte, und er gab sich Mühe, neutral zu bleiben, wenn er mit mir sprach. Er war ein kleiner, rundlicher Mann mit rundlichen Gesichtszügen, einer riesigen Nase und dem Gesicht eines Witzeerzählers auf dem Marktplatz, aber ich spürte seine Antipathie und beging nicht den Fehler, sein heiteres Aussehen mit seinem Charakter gleichzusetzen. Er war jedoch immer höflich und erklärte mir als Antwort auf meine erste Frage, dass Brand ebenfalls in seinem Zimmer eingesperrt war. Ich bat ihn, Temellin zu erklären, dass ich ihn sehen musste, und er versprach, den Wunsch weiterzugeben.
Aber Temellin kam nicht.
Später am Tag brachte Reftim Aemid mit.
Sie wirkte unglücklich. Ihr Gesicht war geschwollen, die Augen gerötet. Ich wollte sie umarmen, sie trösten, aber mein Gefühl, verraten worden zu sein, hielt mich zurück. Sie hätte mehr Vertrauen in mich haben sollen.
» Es tut mir leid«, sagte sie, den Blick auf den Boden geheftet. » Ich konnte nicht zulassen, dass Ihr mein Land verratet.«
» Unser Land«, berichtigte ich sie. » Ich hatte es nicht vor. Du hättest mich besser kennen müssen.«
Jetzt schaute sie mich an, und ich sah, wie ihre Miene sich verhärtete. » Das ist es ja. Genau das ist das Problem. Ich habe gesehen, zu was Ihr Euch entwickelt hattet. Ihr wurdet wie er. Gayed. Ihr hattet sogar den gleichen Blickâ den Blick eines Menschen, der sich nicht darum schert, was mit den anderen ist, solange Ihr Euer Ziel erreicht.« Sie holte tief Luft. » Ich weiÃ, dass es meine Schuld ist. Und ich verdiene es, bestraft zu werden. Ich denke, dies ist die Strafeâ Euch hier so eingesperrt zu sehen. Zu wissen, dass das kleine Mädchen, das so tapfer seinen Cabochon vor ihnen verborgen hat, weil seine Mutter ihm das gesagt hatte⦠zu wissen, wie es zu der Frau geworden ist, die ich jetzt vor mir sehe, eingesperrt für den Rest ihres Lebens. Und all das nur, weil ich es zugelassen habe. Ich habe versagt. Es tut mir leid, Ligea. Es tut mir schrecklich leid.«
Sie begann zu weinen und wandte sich von mir ab. Reftim führte sie durch den Schutzzauber und aus dem Zimmer. Ich wandte das Gesicht ab, damit Reftim die Tränen nicht sah, die sich in meinen eigenen Augen sammelten. Sie hatte Recht. Ich hatte mich so sehr bemüht, wie Gayed zu sein. Und ich hatte ihr versprochen, dass ich mich nicht als Kardin ausgeben würde, und dann dieses Versprechen bei der nächsten Gelegenheit gebrochen. Das war der Mensch, zu dem ich geworden war.
Am nächsten Tag bat ich darum, Korden sehen zu können. Er kam und brachte seine Abneigung und sein Misstrauen mit, ohne sich die Mühe zu machen, irgendetwas davon zu verbergen. » Nun?«, fragte er ohne
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