Der Bund der Illusionisten 1
Legata. Wisst Ihr, wie ich Sklave geworden bin? Nein, natürlich nicht. Es hat Euch nie interessiert. Nun, vielleicht ist es an der Zeit, dass Ihr es erfahrtâ meine Eltern sind gestorben. Ich war zehn Jahre alt.«
» Und?«, hakte ich nach, als er nicht weitersprach.
» Das war alles. Ich war zehn und hatte keine Eltern. Es gab niemanden, der mich beschützen konnte. Niemand, der das Eigentum beschützen konnte, das meinem Vater gehört hatte. Es wurde gestohlen, und ich bin in die Sklaverei verkauft worden, mit offener Duldung der Legionäre, die in Altan stationiert waren. Wo war das Verbrechen, das den Verkauf eines trauernden zehnjährigen Jungen in lebenslange Sklaverei rechtfertigt? Dies ist die Wahrheit über Eure tyranische Zivilisation, Legata. Sicher haben wir Friedenâ aber um welchen Preis?«
Ich wollte nicht darüber nachdenken, was er sagte. Ich wandte den Blick von ihm ab, nahm das Sklavenhalsband auf und spielte damit herum. Es fühlte sich schwer an, sperrig, auf eine Weise unhandlich, die ich noch nicht einmal bemerkt hatte, als ich es getragen hatte. Brand stand ruhig da und wartete darauf, dass ich die Wahrheiten, die er von sich gegeben hatte, zumindest ein bisschen anerkannte. Ich hätte ihn schelten sollen. Ich hätte ihn tadeln sollen, weil er das Exaltarchat kritisiert hatte, das über ihn bestimmte, aber die Beziehung zwischen mir und dem Altani war zu vielschichtig für ein solches Verhalten. » So etwas hast du noch nie gesagt, Brand«, sagte ich schlieÃlich. » Warum jetzt?«
» Ihr habt bisher einfach nur nie zugehört.« Er hielt die Rolle hoch. » Ich werde sie abgeben.« Damit drehte er sich um und ging weg, lieà mich aufgebracht und unruhig zurück. Viel zu schnell wanderten meine Gedanken wieder zurück zu der Blutlache. Schwarzes Blut, das in die Kleidung einer Frau sickerte, die auf der Erde kniete und die Hände rangâ¦
Am nächsten Morgen dachte ich daran, Brand erneut hinter mir hergehen zu lassen, aber ich wollte mein Treffen mit Illu Sionistâ mit dem Illusionistenâ nicht gefährden. Ich beschloss, das Risiko auf mich zu nehmen, allein dort hinzugehen. Brand erhob keine Einwände; ich wäre auch überrascht gewesen, hätte er das getan. Wir wussten beide, dass die Arbeit für die Bruderschaft häufig gefährlich war. Und wir wussten beide, dass ich das Risiko genoss und kein Wort von Brand das jemals ändern würde.
Parvana stand bei den Frauen, die am Brunnen warteten. Sie nickte mir zu und zog mich ein Stück beiseite. » Lass deinen Krug hier. Ich werde ihn füllen und da drüben beim Gemüseverkäufer lassen. Du kannst ihn dann später dort abholen. Also, siehst du den Kerl da, den mit dem hübschen Hintern, der beim Obststand auf der anderen Seite des Platzes steht?«
Ich sah hinüber. Ein Mann stand da, ein Karde ohne Sklavenhalsband, der lässig einige Früchte betastete, während er sich mit dem Inhaber des Marktstandes unterhielt. Ich schätzte sein Alter auf etwa dreiÃig und musterte seine schlanke, aber muskulöse Gestalt und seine lässige Haltung. Ich wandte mich wieder Parvana zu und nickte. » Ja, ich sehe ihn.«
» Er wird in einer Minute weggehen. Du musst ihm folgen. Er bringt dich zu der Person, die du sehen möchtest.«
Der Mann auf der anderen Seite des Platzes kaufte ein paar Früchte, verstaute sie in der Tasche an seinem Gürtel und machte sich daran wegzugehen, ohne sich umzusehen, während Parvana ermutigend lächelte und meinen Krug nahm. Ich überquerte den Platz und betrat das Gewirr von StraÃen, das sich auf der anderen Seite erstreckte, immer bemüht, den Kerl nicht aus den Augen zu verlieren. Ich versuchte, meine Sinne nach ihm auszustrecken und seine Gefühle zu finden, aber es waren so viele Karden unterwegs, um ihre morgendlichen Einkäufe zu erledigen, dass es mir nicht möglich war, die Gefühle eines einzelnen Menschen aus denen der anderen auszusondern. Ich wurde von der Menge angerempelt und stellte fest, dass ich selbst andere Leute anrempelte, um mit meinem Führer Schritt zu halten.
Das war natürlich ein Fehler; Sklaven rempelten keine Legionäre an. Sklaven waren unterwürfig und höflich, nicht streitsüchtig. Ich vergaà jedoch einen Moment, dass ich eine Sklavin war, und schob einen Legionär aus dem Weg. Er packte mich am Arm,
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