Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
annahm. Er war jung, und doch hatte er sich den Respekt seiner Lehrer und seiner Handwerker und seiner Arbeiter auf eine Weise verschafft, die nichts damit zu tun hatte, dass er der Sohn der ehemaligen Exaltarchin oder der Sohn des gegenwärtigen Illusionisten war.
Die Wahrheit war allerdings, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wann er das letzte Mal vollständig glücklich gewesen war, ungehindert von den Bürden der Vergangenheit, die er hinter sich her schleppte wie ein Ochse einen festgefahrenen Pflug, und ohne Sorgen und Ängste, dass die Verheerung gewinnen könnte.
Noch schlimmer war, dass er die Abwesenheit von Tarran in seinem Leben als beständigen Schmerz spürte. Und es war nicht nur Tarran, der ihm fehlte. Er vermisste auch seine Freunde: Perry mit seiner festen, bedingungslosen Unterstützung; Bevran mit seinem witzigen Gesicht; Vevi mit ihrer rechthaberischen Art; Samia, deren vorlautes Mundwerk ihn verärgern konnte und die lästigerweise immer recht hatte. Es gab sogar Zeiten, da hätte er alles gegeben, um Serenelle wiederzusehen, die er ganz und gar nicht verstand.
Er, der nie ein richtiges Familienleben erfahren hatte, stellte fest, dass er große Sehnsucht danach hatte. Es war vier Jahre her, seit er seinen Vater oder seine Mutter gesehen hatte. Er vermisste Temellin mit einem Kummer, der nicht vergehen wollte, trotz häufiger Briefe. Und er sehnte sich danach, seine Mutter wiederzusehen und mit ihr zu sprechen. Ihr von den Dingen zu erzählen, die nur sie verstehen würde: wie Gevenan gekommen war, um ihn zu treffen, dass Arcadim jetzt der Reviarch geworden war. Wie der Senat die hochgeborenen Familien daran zu hindern versuchte, das Gesetz gegen Sklavenarbeit dadurch zu umgehen, dass sie den Armen Verträge aufdrückten und sie dann zwangen, die Schulden abzuarbeiten.
» He, Araneolus!«
Arrant wurde aus seinen Gedanken gerissen und blinzelte über den Rand des Brückenbogens. Der Mann an der Winde, der das Hochziehen des Schlusssteins überwachte, hatte seine Hände um den Mund gelegt. » Hier ist jemand, der dich sehen will!«
Arrant winkte zurück, um zu signalisieren, dass er gehört hatte, und musterte die Leute dort unten. Zimmerleute, Steinmetze, Arbeiter, Vermesser, ein Wasserjunge– und ein Mann, der einen Reiseumhang trug und jetzt von seinem Reittier glitt. Von seinem Slecz. Ein zweites Slecz hatte er als Packtier dabei.
Oh Götter, dachte Arrant, bitte lass das keine schlechten Nachrichten sein.
Er ging zur obersten Leiter, rief dabei dem Steinmetz zu: » Licinius, sieht aus, als müsste ich nach unten. Die Ehre, den Schlussstein einzusetzen, bleibt damit dir überlassen.«
Er verdiente sich das Recht auf seinen Spitznamen mehr als genug angesichts der Geschwindigkeit, mit der er den Boden erreichte. » Garis?«, fragte er, als er von der untersten Sprosse sprang. » Was tust du hier? Ist in Kardiastan alles in Ordnung?«
Einen Moment lang starrte Garis ihn einfach nur ausdruckslos an und ließ sich dann mit einem unglaublichen Grinsen im Gesicht von Arrant umarmen. » Illusionslose Seele– ich habe dich fast nicht erkannt. Du fühlst dich anders an. Und du bist größer geworden. Breiter. Beim zitternden Sand, du bist größer als ich.«
Arrant lächelte jetzt ebenfalls; Garis war kein großer Mann. » So was kommt vor. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Ist alles in Ordnung?«
» Es geht allen gut, aber ich muss dir etwas sagen. Allein.«
» Dann sollten wir in mein Zelt gehen.« Er sagte dem Steinmetzmeister Bescheid, wo er sein würde, und die beiden Männer suchten sich ihren Weg über das Baugelände. » Ich nehme an, meine Eltern haben dir gesagt, wo du mich finden würdest?«, fragte er, während sie einem Karren auswichen, der noch mehr Steinblöcke vom Steinbruch lieferte.
» Ja. Er baut eine Brücke über den Arteus, hat Temellin gesagt. Womit ich gar nichts anfangen konnte. Ich musste erst nach Getria reisen, um zu erfahren, wo das sein würde.« Er warf einen Blick zurück zum Aquädukt, der noch eingerüstet war. » Temellin würde deine Brücke gefallen. Er ist stolz auf dich, weißt du, auf das, was du tust.«
» Wirklich? Dann habe ich schließlich doch etwas gefunden, das ich gut kann, was? Es ist nur ein Jammer, dass er sie nicht wirklich sehen kann.« Eine unangenehme Stille entstand. » Tut mir leid«, fügte er mit einem Seufzer hinzu. » Das war eine vollkommen geschmacklose Antwort. Manchmal suhle ich mich in Selbstmitleid, so
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