Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
seinen rechten Arm nach unten.
Lektionen, die sie aus einem Dutzend Stürzen und unzähligen blauen Flecken gelernt hatte. Hand, Fuß, Hand. Alles eine Frage des richtigen Zeitpunktes. Sie packte seine Hand, machte einen Satz und stellte– von Arrant gezogen– ihren rechten Fuß auf den wartenden Fressarm des Sleczs. Sie griff mit der linken Hand nach dem Sattel und wurde halb vom Slecz gestoßen, halb von Arrant gezogen, hinter ihm in den Sattel katapultiert, und all das geschah, ohne dass das Slecz auch nur einmal den Schritt verlangsamen musste. Sie hatten es in ihren dummen Spielen ziemlich oft geübt, aber nun war es zum ersten Mal ernst. Windböen schlugen auf sie ein, Staub wehte ihnen in die Augen, und sie meinte zu ersticken. Und noch dazu war es ein Reittier, das keiner von ihnen kannte. Wie zu den Sandhöllen hatte er das gemacht? Ein fremdes Tier überredet, die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt zu tun? Sprach er in der Sprache der Reittiere mit ihnen?
Es war natürlich seine Kette, wie sie plötzlich begriff.
Sie legte einen Arm um seine Taille und vergrub ihren Kopf an seinem Rücken, um dem staubgeschwängerten Wind zu entkommen. Dann tastete sie in ihrem Gürtelbeutel herum und holte das Stück Leinen heraus, das der Wegehausverwalter ihnen mitgegeben hatte. Sie band es über Arrants Nase und Mund. Erst dann wagte sie, einen Blick zurückzuwerfen.
Sie sah, dass der gesamte Berghang sich bewegte, rutschte, toste, zu Tal schoss. Felsen, Steine, kümmerliche Bäume, Erde– alles strömte dahin wie Wasser. Irgendwo hinter ihnen waren Garis und Sarana. Kratzendes Japsen schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht mehr erkennen, ob es vom Entsetzen oder vom Staub kam. Sie konnte auch nicht sehen, ob Garis und Sarana überlebt hatten, oder sie überhaupt irgendwo entdecken.
Das Slecz galoppierte weiter durch einen Schauer aus Erde. Arrant drehte den Kopf und warf einen Blick zur Wolke hoch. Ein goldener Strahl, der von irgendwo weiter hinten kam, durchdrang die Düsternis, traf auf etwas und explodierte. Fleisch und Blut und Knochen und grüner Dreck wirbelten in allen Richtungen. Arrant duckte sich, als etwas sein Gesicht traf. Blut regnete auf sie beide herab.
Noch mehr Erde und Felsstücke donnerten herab, aber das Slecz hatte sie aus ihrem Weg gebracht. Samia sah wieder zurück über ihre Schulter, während die Kaskade aus Erde und Steinen zerfetzte Gliedmaßen und unerkennbare Stücke von etwas Fremdem einhüllte, das einst ein Lebewesen gewesen war, und sie barmherzigerweise tief unter sich begrub. Der Lärm veränderte sich, und das Donnern sich bewegender Erde wurde zum Heulen des Windes, gelegentlich hörte man das Rutschen des unsicher gewordenen Bodens. Und dann hallte ein lautes Geheul durch das Tal.
Ein Schauder nach dem anderen jagte ihr das Rückgrat hinunter. » Was war das?« Ihre Stimme zitterte. Sie war im Entsetzen gefangen und wusste nicht, wie sie entkommen sollte.
» Bestien der Verheerung. Es gibt noch mehr von ihnen im Innern des Sturms«, rief er. » Wir müssen weiterreiten.«
Sie wusste, was er damit meinte. Sie konnten nichts tun. Sie waren durch einen Erdrutsch von Sarana und Garis abgeschnitten, der so gewaltig war, dass er bis zum Talgrund weiterzurutschen drohte, wenn jemand auch nur nieste. Wenn Sarana und Garis überhaupt noch am Leben waren, würden sie ihnen gewiss nicht dichtauf folgen.
» Einer von ihnen hat diesen Stoß Magormacht abgeschossen«, sagte Arrant, als hätte er ihre Gedanken erraten.
Sie holte tief Luft und beruhigte sich etwas.
» Wir werden weiterreiten und irgendwo weiter vorn wieder auf die Straße stoßen«, fügte er hinzu.
Dicke Staubschwaden hingen in der Luft, begleitet vom unbeschreiblichen Gestank der Verwesung. Es war unmöglich zu erkennen, wohin sie gingen, daher ließ Arrant ihr Reittier sich seinen Weg selbst suchen. Sie mussten einfach hoffen, dass es sie nicht über eine Kante tragen würde. Das Tier trottete weiter, und sein langer Hals stieß wie ein Speer nach vorn, während es mit den Fingern der Fressarme versuchte, die Augen vor dem Staub zu schützen.
Als alles vorbei war, hätte Samia nicht sagen können, wie lange es gedauert hatte. Sie hatten sich erst bergauf bewegt, dann hatte sich die Neigung des Geländes verändert, und das Slecz hatte genug Schwung und Energie gesammelt, um zu galoppieren. Der Wind ließ nach, die Luft klärte sich. Man konnte wieder atmen. Allmählich wurde das Tier müde und blieb
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