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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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ernsthaft, dass die Hure ein Messer dazu brauchte, um Euch zu berichten, was sie beobachtet hat? Nicht für eine einzige Sekunde lang hat sie erwogen, Euch zu verraten, was sie in der Mordnacht gesehen hat. Was auch – um alles in der Welt – sollte sie dazu bringen? Eine wie sie, die gewohnt ist, im Halbdunkel zu agieren? Die einzige Tugend, die sie besitzt, besteht darin, schweigen zu können! Schweigen unter allen Umständen, alles andere schadet ihrem Geschäft!«
    Laetitias Schädel dröhnte und sie erkannte die Aussichtslosigkeit des Versuches, Sebastian zu widersprechen. Wahrscheinlich hatte er sogar recht. Das machte es fast noch schlimmer. Sie wandte den Kopf von ihm ab und sah aus dem Fenster hinaus. Im herbstlichen Hortulus Botanicus, über dem mächtige Baumkronen ihre beinahe kahlen Äste ausreckten, stand Karolina und ließ prüfend den Zweig eines Hagebuttenstrauchs durch ihre Hände gleiten. Sie war eifrig dabei, die leuchtend roten Früchte in einem Tuch, das sie um die Hüften geknotet hatte, zu sammeln. Gewiss benötigte sie die Hagebutten, um daraus ein heilendes Pulver oder einen Tee zu bereiten.
    Sebastian folgte Laetitias Blick. »Nun sammelt sie schon wieder Zutaten für ihre Heiltränke«, schüttelte er den Kopf, offenbar froh das Thema wechseln zu können. »Mit welcher Unbekümmertheit sich Karolina über alle Verbote hinwegsetzt! Dabei weiß sie genau, dass das Clermonter Konzil Geistlichen streng untersagt, medizinische Tätigkeiten auszuüben.«
    Diese Vorschrift galt tatsächlich schon seit einigen Jahren. Erst recht war Kirchenmännern verboten, sündhafte Bücher über Physik, Astronomie, Alchemie oder Naturkunde zu lesen. Und was Mönche nicht durften, konnte Nonnen genauso wenig erlaubt sein. Welche Absicht sich hinter den kirchlichen Restriktionen verbarg, hatte Laetitia eigentlich nie recht begriffen, aber Unverständnis tat der Strenge des Verbots keinen Abbruch. Daher ging sie persönlich immer äußerst diskret vor, wenn sie im Kloster Paraklet bei der ehrwürdigen Botanikerin um Lehrstunden in der Heilkunde bat. Vor allem gab sie ihr Wissen nicht preis, im Gegensatz zu Karolina, die keinen Hehl aus ihren Kenntnissen machte.
    »Ja, sie ist ganz schön leichtfertig«, pflichtete Laetitia Sebastian bei, ebenfalls dankbar, das Gespräch von den Erlebnissen am Altport wegzulenken.
    »Sie kann von Glück sagen, dass Albero ihr Infirmarium noch nicht geschlossen und hier in Trier noch niemand das Wort gegen sie oder die Botanikerin erhoben hat, wenn sie zur Pflege eines Kranken eilten«, meinte Sebastian.
    »Dafür gibt es wahrscheinlich einen mehr als schlichten Grund: Wer sonst soll helfen, wenn jemand in Trier medizinischen Beistand benötigt?«
    »Na ja, die Unerschrockenen lassen sich von einem der unseriösen Bader oder Barbiere behandeln.«
    »Mit ihren seltsamen Salben und Wunderpülverchen?«
    »Welche Möglichkeit bleibt denn sonst? Fundierte Kenntnisse der Heilkunst besitzen außer den Nonnen allenfalls einige Juden. Und den Gang zu denen scheuen die meisten.«
    Laetitias Wunde schmerzte. Sie tastete über den Verband an ihrem Kopf.
    »Ich muss gleich los, damit es keinen Ärger gibt. Aber zuvor habe ich noch eine Neuigkeit für Euch.«
    Laetitia schaute Sebastian fragend an.
    »Als ich mit Brigitta rang, ist ihre Halskette gerissen und ich habe sie später an mich genommen.«
    »Und was soll das nützen?«
    »Ihr habt doch selbst erzählt, dass dem Mörder bei seinem Zusammenprall mit Brigitta etwas zu Boden fiel, das sie aufgehoben hat.«
    »Das soll diese Kette gewesen sein? Wie kommt Ihr denn darauf? Das Ding kann die Hure überall aufgegabelt haben. Vielleicht in einem Badehaus oder Bordell? Womöglich entlohnte jemand sie mit der Kette für eine Liebesnacht? Wer kann mit Gewissheit sagen, wo sie ein und aus geht? Bestimmt gehören auch edle Herren zu ihrer Klientel, die sie fürstlich für ihre Dienste bezahlen!«
    »Unsinn, derart beeindruckende Erlebnisse kann die kunstfertigste aller Huren nicht bereiten, als dass ein Mann bereit wäre, einen solchen Lohn zu zahlen!«, widersprach ihr Sebastian.
    Laetitia spürte die Wärme von Sebastians Hand, der die ihre nahm. Ein sonderbares, nie gekanntes Gefühl durchströmte ihren Körper – nur für einen winzigen, kostbaren Moment lang. Viel zu schnell wurde es abgelöst durch die metallene Kühle, die sich danach über ihre Finger ausbreitete. Sebastian hatte ihr einen Gegenstand auf die Handfläche gelegt.
    »

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