Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Dieses Amulett hier hing nämlich an der Kette.« Der Triumph, der aus seinen Worten sprach, während Sebastian auf das Amulett deutete, sorgte dafür, dass sich Laetitias Wangen mit Röte überzogen. Maßlos schämte sie sich nun ihrer Empfindung bei der Berührung seiner Hand, die einen so rasch verflogenen Moment lang gedauert hatte.
»Hätte Brigitta dieses fein gearbeitete Amulett von einem gewöhnlichen Kunden erhalten, hätte sie es längst zu Geld gemacht. Ich garantiere Euch, dass Brigitta das Amulett erst in jüngster Zeit zu fassen gekriegt hat. Es spricht also durchaus etwas dafür, dass es sich um den Gegenstand handelt, den der Mörder vor Burkhards Haus verlor.«
Laetitia betrachtete das Amulett genauer. Aber ja! Wieso hatte sie das nicht vorher bemerkt? Der Schlag an den Hinterkopf musste sie mehr mitgenommen haben, als sie zunächst gedacht hatte. Das Amulett: Es sah demjenigen, das sie in der goldbeschlagenen Schatulle in Burkhards Haus entdeckt hatte sowie dem, das ihr Großvater einst getragen hatte, zum Verwechseln ähnlich. Das meisterhaft gearbeitete Stück zeigte in seiner Mitte eine silberne Lanze.
Neue Hoffnung durchflutete Laetitia. »Genau solch ein Amulett habe ich in Burkhards Sachen gefunden«, wisperte sie. Mit dieser Feststellung verzogen sich die letzten Fetzen der Gewitterwolken, die sich zuvor zwischen ihr und Sebastian aufgetürmt hatten.
Verschwörerisch funkelte es in den Augen des jungen Mannes. »Ich würde mein Leben dafür verwetten, dass dieses Amulett nicht nur irgendein Schmuckstück ist«, sprach er mit gedämpfter Stimme.
»Nicht nur ein Schmuckstück? Aber was könnte es sonst sein?«
»Überlegt doch, wenn es zwei genau gleich aussehende davon gibt, eines dem Mörder gehört und das andere Burkhard, haben wir hier ein Bindeglied!
»Ihr habt recht – etwas, das eine Gemeinsamkeit zwischen Täter und Opfer darstellt. Beide besaßen ein solches Amulett!«
»Ich wette, dass die silberne Lanze ein Symbol ist. Und als Nächstes müssen wir herausfinden, wofür sie steht«, meinte er.
»Das Amulett ist unsere zweite Spur«, stimmte Laetitia zu, »vielleicht eine noch entscheidendere als die ketzerischen Briefe.« Ein Lächeln fand sich auf ihren Lippen ein, während ihre Faust sich fest um das Amulett schloss.
Kapitel 7
Anfangs hatte Laetitia ungehalten darauf reagiert, dass sie wegen ihrer Kopfwunde nicht einen Schritt vor die Tür setzen durfte. Doch merkte sie rasch, dass sie während der nächsten Tage keine Langeweile leiden musste. Jede Hand wurde gebraucht, um die Früchte des Herbstes in einen Segen für das Stift zu verwandeln. Dabei ging es weniger um Rüben, Korn und Mehl, die man dringend zur Aufstockung der Nahrungsvorräte gebraucht hätte, als vielmehr um Blätter, Knollen, Disteln und Pilze, die getrocknet, gerieben, pulverisiert, gepresst oder zu medizinischen Pasten verrührt werden wollten.
Für diese überaus sonderbare Verschiebung des Schwerpunkts herbstlicher Erntearbeit gab es einen schlichten Grund: Die Äbtissin spürte die Plagen des Alters und kümmerte sich nicht mehr um die Geschicke des Stifts. Ihre fast blinden Augen leuchteten nur noch dann für wenige Momente auf, wenn die Rede auf den bevorstehenden Papstbesuch kam. Bei diesem historischen Ereignis wollte sie noch dabei sein, allem anderen hatte sie längst den Rücken gekehrt. Folglich oblagen die meisten Entscheidungen über das, was zu tun war, Karolina als der Ältesten. Mit vollem Herzen der Medizin und Naturkunde verschrieben, ging Karolina mit den profanen Aufgaben, wie etwa Korn einzufahren und zur Mühle zu bringen, ausgesprochen nachlässig um.
Hätte man Laetitia nach einem Urteil über diese Form des Wirtschaftens gefragt, wäre es vernichtend ausgefallen. Auch wollte sie lieber nicht darüber nachdenken, was im Januar oder Februar noch auf den Tisch kommen sollte, wenn sich die Keller dermaßen träge füllten. Das Stift würde von Glück sagen können, wenn bald eine neue Äbtissin ihre Vorgängerin ersetzen und Karolina sich wieder auf das beschränken konnte, was sie wirklich beherrschte: jeden noch so winzigen Grashalm oder Schmetterlingsflügel in Gottes Schöpfung erforschen und alles, was sie darüber herausfand, feinsäuberlich in Heften festhalten.
Für Laetitia konnte es nichts Interessanteres geben als die Arbeit dieser Tage. Jeden Handgriff Karolinas beobachtete sie akribisch und stellte ihr Frage über Frage zu der Wirkungsweise all der
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