Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
angeboten hatte. Egal wie sauber alles auch sein mochte, wenn das Bettzeug seit fast zwanzig Jahren aufgezogen war, dann konnte es einfach nicht mehr frisch sein.
Die Gästezimmer untersuchte ich eher flüchtig. Sie waren hübsch eingerichtet, aber die Möbel waren im Grunde ohne jede Besonderheit. Mein besonderes Augenmerk galt dem großen Schlafzimmer, weil dort sicherlich Erinnerungsstücke meiner Eltern zu finden waren. Es war seltsam, diesen Raum zu betreten, denn zuletzt hatten dort die beiden Menschen gewohnt, die meine Eltern gewesen waren, auch wenn ich sie nie kennengelernt hatte.
Als Erstes fiel mir ein großes Porträt an der Wand auf. Es zeigte eine schöne Frau, die meinen Blick zu erwidern schien. Der Künstler hatte ihre Miene geschickt eingefangen, wunderschön und zugleich ein wenig geheimnisvoll. Das blonde Haar hob sich vor dem grünen Efeu im Hintergrund ab, und die blauen Augen schienen mich förmlich aufzusaugen. Sie strahlten Klugheit aus – und eine große Entschlossenheit.
Das Bild war nicht signiert, nirgends war ein Name zu entdecken, also konnte ich nicht sicher sein, wen es darstellte, doch tief in meinem Herzen wusste ich genau, dass es nur meine Mutter sein konnte. Auf einmal schossen mir die Tränen in die Augen, weil mich Gefühle überwältigten, von deren Existenz ich bislang noch nicht einmal gewusst hatte. Es hatte mich schon sehr betroffen gemacht, als ich Jahre zuvor vom Schicksal meiner Mutter hatte erfahren müssen. Aber dabei hatte ich keinen Kummer empfunden. Für mich war sie eine Fremde gewesen, und ihre Geschichte hatte nicht mehr Bedauern geweckt als die Erlebnisse eines Unbekannten. Sie jetzt zu sehen, erfüllte mich mit Sehnsucht und Trauer zugleich, denn nun endlich spürte ich den Verlust einer Liebe, die ich nie wirklich erfahren hatte.
Penny war zur Stelle und legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter, störte mich aber nicht. Ich betrachtete das Bild, bis ich es nicht mehr ertragen konnte, drehte mich um und umarmte sie. Ohne ein Wort und ohne Fragen zu stellen, behielt sie mich im Arm, bis ich mich wieder gesammelt hatte.
Rose kam herein, als ich mir die Tränen abwischte. Sofort bemerkte sie das Gemälde, und ich bin sicher, dass sie es verstand. Sie war so freundlich, nichts weiter zu sagen, und brach das unbehagliche Schweigen mit einer beiläufigen Frage. »Dann war dies das Schlafzimmer deiner Eltern?« Es war offensichtlich, und es half.
»Ich glaube schon.«
Penny interessierte sich für einen großen Schrank. »Ich frage mich, ob noch Kleidung da ist.« Der Schrank war halb leer, aber neben einem Wams und einem langen Gewand hingen dort noch einige Kleider. Man hätte erwarten können, dass die Sachen von Motten zerfressen waren, aber das Haus duldete Ungeziefer anscheinend ebenso wenig wie Staub.
»Oh, das ist aber hübsch.« Rose fuhr mit der Hand über einen Seidenärmel. »Der Stil ist sehr traditionell.«
»Es scheint so, als wären sie gerade eben noch hier gewesen. Alles ist so gut erhalten«, fügte Penny hinzu.
Ich war schon dabei, die Schubladen der Kommode zu öffnen, doch dort gab es keine Überraschungen. Es waren nur die Dinge, die man erwarten würde, im Haus eines Edelmannes zu finden. Wahrscheinlich hatten sie die meisten Wertgegenstände auf die Reise mitgenommen. Verschiedene Kleidungsstücke, Socken und etwas Unterwäsche waren auch noch vorhanden. Auf der Kommode stand ein kostbares Schmuckkästchen, das ich mir bis zuletzt aufhob.
Als ich es öffnete, staunte ich, wie viel darin Platz fand. Broschen, Halsketten, Ohrringe, Armreife und andere Dinge funkelten in den Fächern, die mit Samt ausgeschlagen waren. Es sah aus, als hätten sie den größten Teil ihres Schmucks zurückgelassen. Ich hatte keine Ahnung, wie viel dies wert sein mochte.
Rose und Penny spähten mir über die Schulter. »Siehst du das?« Rose deutete auf einen Ring.
»Ist es das, was ich glaube?«, erwiderte Penny.
Sie meinten einen goldenen Ring, dessen oberer Teil abgeflacht war und eine Gravur trug. Die Abbildung zeigte einen Drachen, der in einem Ring aus sieben Sternen gerade die Flügel entfaltete. Es war der Siegelring des Hauses Illeniel. »Warum ist er hier?«, überlegte ich. Bisher hatte ich angenommen, Tyndal habe den Ring getragen, als er die Burg Cameron in Trümmer legte. »Er hätte den Ring doch bei sich haben müssen.« Ich trug bereits den Siegelring der Camerons, denn der alte Graf war weit genug vom Feuer und der Hitze
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