Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
mit den vielen Menschen überfordert, die er ernähren und beherbergen muss. Die Feinde bekommen dagegen einen ausgezeichneten Aufmarschplatz, und dann wird Lancaster eingekreist. Wenn sie uns dort belagern, werden alle unsere vereinten Soldaten und Zivilisten gemeinsam ausgehungert«, wandte ich ein.
Der große Mann sah mich einen Augenblick lang an. Bis zu diesem Moment hatte er mich vermutlich als einen störrischen Bauernjungen betrachtet, der unversehens in etwas Größeres hineingestolpert war. Ich konnte es ihm nicht einmal vorwerfen, denn er hatte keinen Grund zu der Annahme, dass dies nicht zutraf. »Das ist wahr, aber wir müssen so oder so mit einer vernichtenden Niederlage rechnen. Der einzige Unterschied sind Zeit und Ort. An dem einen Ort sterben wir langsamer, weil uns der Feind von unseren Verbündeten abschneidet, an dem anderen hungert er uns schneller aus.«
»Wie viele Männer kann Vendraccus überhaupt ins Feld schicken?«, fragte ich.
Marcus und Dorian zuckten mit den Achseln, nur Cyhan wusste etwas beizusteuern. »Wenn uns die Geschichte einen Aufschluss gibt, dann sind es mehr als zehntausend Krieger. Im letzten Krieg zwischen Lothion und Gododdin bot König Gelleron fast zwanzigtausend Kämpfer auf.«
»Aber Lothion hat den Krieg gewonnen, oder?«
Dieses Mal antwortete Marcus. »Mit knapper Not. Die Feinde sind mordend und brandschatzend bis fast zur Hauptstadt vorgedrungen, ehe sie aufgehalten werden konnten.«
Jetzt bedauerte ich, dass ich in unserer Jugend im Geschichtsunterricht nicht gut genug aufgepasst hatte. »Was ist damals mit Lancaster geschehen?«
»Um es knapp zusammenzufassen«, begann Marc, »mein Urgroßvater brauchte fast zwanzig Jahre, um Lancaster wiederaufzubauen, und in Cameron hat es sogar noch länger gedauert.«
»Sosehr es mir gefallen hat, die Burg wiederaufzubauen, die Vorstellung, dies mit der ganzen Grafschaft zu tun, ist nicht gerade angenehm«, überlegte ich laut.
»Dir bleibt nichts anderes übrig«, entgegnete Cyhan unverblümt. »In deinem Land leben ohnehin nicht viele Menschen. Du solltest dich zurückziehen und dich den Truppen des Königs anschließen.«
»Und alles verlieren? Soll ich ihnen das Land einfach ausliefern?«, fragte ich.
»Du verlierst nicht alles. Du überlebst. Wenn du bleibst, bist du nicht mehr da und kannst anschließend nichts mehr aufbauen. So wenig wie deine Leute«, antwortete er.
»Es gibt noch eine weitere Möglichkeit«, warf Penny ein. Es war das erste Mal, dass sie überhaupt das Wort ergriff. Alle drehten die Köpfe zu ihr herum. »Du kapitulierst. Leiste der Form halber etwas Widerstand und kapituliere dann, sobald er die Burg umzingelt. Wenn wir Glück haben, lässt dir Vendraccus sogar das Land und setzt seinen Feldzug fort.«
Es gab einen Aufschrei, und alle redeten durcheinander.
»Ich schlage nicht vor, dies wirklich zu tun«, rief sie, um die anderen zu übertönen. »Ich dachte nur, wir sollten alle unsere Möglichkeiten aufzählen, auch wenn uns einige davon nicht gefallen.«
»In dieser Hinsicht hat sie recht«, fügte Cyhan hinzu. Sie sah ihn dankbar an. Mir wurde die Brust eng, als ich ihre Miene sah.
»Ich bin nicht bereit, dies auch nur als Möglichkeit in Betracht zu ziehen«, entgegnete ich energisch. »Lieber würde ich vorher sterben.« Dabei suchte ich Pennys Blick. Wir hatten einander seit fast zwei Tagen nicht mehr angesehen, und ich fragte mich, was ich in ihren Augen entdecken mochte.
Sie gab sich keinerlei Mühe, ihren Abscheu zu verbergen. »Was wird aus den Frauen und Kindern? Dürfen die sich nicht entscheiden? Sollen sie alle für deine Ehre sterben?«
Ich lief rot an. »Ich dachte, wir schicken sie nach Lancaster. Wir können seine Truppen hier einquartieren und die meisten Zivilisten dort unterbringen.«
Ihre Nasenflügel bebten, während sie schneller atmete. »Wie viele Frauen musst du denn zu Witwen machen, ehe du zufrieden bist?«, hakte sie nach.
Da riss mir der Geduldsfaden. »Mir fällt mindestens eine Frau ein, die keine Witwe sein wird!« Ich war aufgesprungen und schrie sie über den Tisch hinweg an. Ich glaube nicht, dass ich schon jemals im Leben so wütend war.
»Ich wäre lieber tot als deine Witwe!«, rief Penny und warf den Stuhl um, als sie ebenfalls aufsprang. Sie beugte sich vor und hielt sich mit den Händen an der Tischkante fest.
»Du wirst sterben, wenn du diese lächerliche Bindung nicht aufhebst!«
»Lieber würde ich dich eigenhändig erschlagen!
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