Der Canyon
er sich auch einbilden wollte, dass er aus rein altruistischem Antrieb handelte. Es ging ihm nicht um Geld und ganz gewiss nicht um Ruhm und Ansehen.
Er tat das aus einem tief verankerten Impuls, einer Charakterschwäche, einem Durst nach Aufregung und Abenteuer. Vor drei Jahren hatte er eine Entscheidung getroffen, die damals auch impulsiv gewesen war, inzwischen aber durch gründliche Erwägung und Gebete bestätigt worden war – sich von der Welt zurückzuziehen und sein Leben dem Dienst an Gott zu widmen. Diente diese kleine Expedition Gott in irgendeiner Weise?
Er glaubte es nicht.
Trotz dieser Gedanken, wie von einer fremden Macht gesteuert, setzte Bruder Wyman Ford seinen Weg entlang der windigen Klippen des Navajo Rim fort, den Blick fest auf die ferne Felsspitze geheftet.
4
Iain Corvus stand am Fenster, als er die Sprechanlage auf dem Schreibtisch leise klingeln hörte und die Stimme seiner Sekretärin verkündete: »Mr. Warmus vom Bureau of Land Management auf Leitung eins.«
Corvus trat rasch hinter seinen Schreibtisch, griff nach dem Telefon und bemühte sich um seine freundlichste Stimme. »Mr. Warmus, wie geht es Ihnen? Ich nehme an, Sie haben meinen Antrag auf eine Genehmigung erhalten?«
»Sicher, Professor. Hab ihn hier vor mir liegen.« Der breite Western-Akzent tat Corvus' Ohren weh. Professor. Wo kamen diese Leute nur her?
»Gibt es ein Problem damit?«
»Ja, das kann man sagen. Ist sicher ein Versehen, aber ich finde hier keine genauen Positionsdaten.«
»Das war kein Versehen, Mr. Warmus. Ich habe diese Information nicht eingetragen. Es handelt sich hier um ein ungeheuer wertvolles Exemplar, das durch Raubgräber sehr gefährdet wäre.«
»Schon klar, Professor«, kam die gedehnte Antwort, »aber die Mesas sind riesig. Wir können Ihnen keine Erlaubnis für museale paläontologische Grabungen ausstellen, wenn die Ortsangabe fehlt.«
»Dieses Exemplar ist auf dem Schwarzmarkt Millionen wert. Diese Information herauszugeben, selbst an Ihre Behörde, wäre ein Risiko, das ich äußerst ungern eingehen würde.«
»Das verstehe ich, Sir, aber hier im BLM werden alle Genehmigungsanfragen streng unter Verschluss gehalten. Die Sache ist ganz einfach: keine Ortsangabe, keine Genehmigung.«
Corvus atmete tief durch. »Wir können Ihnen natürlich eine allgemeine Angabe machen –«
»Nein, Sir«, unterbrach ihn der Beamte. »Wir brauchen unbedingt Bezirk, Sektion und GPS-Koordinaten. Sonst können wir den Antrag nicht bearbeiten.«
Corvus holte tief Luft und versuchte, seine Stimmlage unter Kontrolle zu halten. »Ich bin nur deshalb so besorgt, weil im vergangenen Jahr, wie Sie sich vielleicht erinnern, in McCone County, Montana, ein erstklassiger Diplodocus entwendet wurde, unmittelbar, nachdem der Antrag eingereicht war.«
»Entwendet?«
»Gestohlen.«
Die nasale Stimme fuhr verdrießlich fort: »Ich arbeite nicht beim BLM in Montana, also kann ich auch nichts von einem entwendeten Diplodocus wissen. Hier in New Mexico sind genaue Koordinaten erforderlich, damit wir eine Grabungsgenehmigung erteilen können. Wenn wir nicht wissen, wo das Exemplar ist, wie sollen wir Ihnen dann die Genehmigung erteilen? Sollen wir ein Grabungsmoratorium über die gesamten Mesas verhängen, bis Sie Ihr Exemplar eingesammelt haben? Wohl kaum.«
»Ich verstehe. Ich lasse Ihnen die Daten der Fundstelle so bald wie möglich zukommen.«
»Machen Sie das. Und da ist noch was.«
Corvus wartete.
»Ihrem Antrag sind keine Fotos oder Vermessungen beigefügt. Die gehören in Anhang A. Es steht doch eindeutig in den Vorschriften: ›Der Antragsteller hat eine wissenschaftliche Vermessung des Fundortes beizufügen, welche das Fossil in situ ausweist, darüber hinaus Fernerkundungsdaten, soweit vorhanden, sowie Fotografien des betreffenden Exemplars.‹ Wir müssen doch irgendeinen Beweis dafür haben, dass da überhaupt ein Fossil ist.«
»Die Entdeckung wurde erst kürzlich gemacht, und der Fundort ist sehr abgelegen. Wir konnten ihn noch nicht wieder aufsuchen, um eine Vermessung vorzunehmen. Mir geht es darum, mich rückzuversichern und Anspruch auf das Fundstück anzumelden, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein weiterer Antrag für dasselbe Fossil eingereicht werden sollte.«
Ein bürokratisches Stöhnen. »Der Anspruch geht an die erste staatlich anerkannte, nichtkommerzielle Institution, Museum oder Universität, die einen einwandfreien Antrag einreicht. Ich muss Ihnen sagen, Professor, dass
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