Der Captain ist 'ne Lady
wäre am liebsten im Erdboden versunken.
“Also”, sagte Abby, “sie wollen heute auf Measles reiten?”
“Deine arme Stute ist vor Einsamkeit fast umgekommen, Abby, Mädchen”, scherzte Cinco. “Darum fand ich es besser, sie wird geritten, als dass sie im Stall steht und jammert.”
Abby versetzte ihm einen sanften Schlag. “Erzähl mir nichts, Großer. Ich weiß, dass es ihr gut geht. Schließlich erkundige ich mich wöchentlich nach ihr, wenn ich mit Jake telefoniere.”
Cinco lächelte bloß und tätschelte ihr die Wange, als wäre sie ein kleines Mädchen.
Nun sah auch Meredith sich Cincos kleine Schwester genauer an, wobei der Ausdruck ‘klein’ in jeder Hinsicht gut passte. Sie war vielleicht eins sechzig, schlank und drahtig und trug zu einer engen Jeans ein Flanellhemd. Den Cowboyhut hatte sie tief ins Gesicht gezogen. Unter dem Strohhut quoll braunes Haar hervor und fiel ihr bis auf die Schultern.
Abby machte den Eindruck einer energischen Frau, die sehr gut wusste, was sie wollte. Sie war genau der Typ, den Meredith sich als Freundin ausgesucht hätte.
Gut war auch, dass Abby Cinco wahrscheinlich davon abhielt, sich um seinen Gast zu kümmern. Seine Vorstellungen von Freizeitbeschäftigung wurden ihr langsam zu gefährlich. Sie legte keinen Wert auf Reitunterricht, und sie wollte auch so wenig wie möglich mit Cinco selbst zu tun haben. Dafür hatten ihr seine Küsse viel zu gut gefallen. Sie durfte sich nicht mit einem Mann einlassen, der alles um sich herum kontrollieren wollte. Von der Sorte hatte sie schon mehr als genug gehabt.
Außerdem war Cinco fest auf dieser Ranch verwurzelt, wogegen sie es kaum erwarten konnte, wieder von hier zu verschwinden und in die Zivilisation zurückzukehren. Hier war ihr alles fremd. Nur wenn sie in einem Flugzeug saß, war sie restlos glücklich.
“Ich brauche übrigens Measles und einige andere sanfte Stuten, wenn ich mit dem Unterricht für Pastor Johnson beginne”, sagte Abby soeben.
“Was denn für ein Unterricht?”, erkundigte sich Cinco.
“Das habe ich dir schon letzte Woche erzählt”, hielt Abby ihm vor. “Du hörst nie zu, Cinco. Ich wünschte …”
“Natürlich höre ich dir zu, Kleine”, versicherte er. “Ich weiß, dass du das Studium aufgegeben hast, heimkommen und auf der Ranch arbeiten willst. Ich begreife allerdings nicht, warum du auf den Collegeabschluss verzichtest.”
“Du sollst mich nicht Kleine nennen!” Abby versetzte ihm einen Boxhieb gegen den Oberarm. “Du weißt, dass ich das hasse. Außerdem habe ich dir wirklich schon alles tausendmal erklärt. Ich will auf der Ranch arbeiten, irgendwann Vorarbeiter werden und Jake ablösen, wenn er sich zur Ruhe setzt.” Abby tippte ihm hart gegen die Brust. “Vorher muss ich erreichen, dass mich die Männer anerkennen. Ich muss zu ihnen gehören und ihnen zeigen, dass ich so gut bin wie sie.”
Oh ja, dachte Meredith. Sie beide hatten tatsächlich viel gemeinsam.
Cinco hielt lachend die Hand seiner Schwester fest. “Abby, Schatz, Rinder einzufangen oder die Zäune zu kontrollieren ist keine Arbeit für eine Frau. Du bist viel zu intelligent für dermaßen harte und schmutzige Tätigkeiten. Eigentlich hatte ich gehofft, dass du irgendwann meinen Posten einnehmen wirst. Dann könnte ich mich völlig meiner Sicherheitsfirma widmen. Du hast ein Diplom, in dem dir bestätigt wird, dass du in der Lage bist, eine Ranch zu führen. Reicht dir das denn nicht?”
Abby riss sich gereizt los. Meredith konnte ihren Frust nur allzu gut verstehen. Cinco war nicht nur versessen darauf, alles und jeden zu kontrollieren, sondern er war darüber hinaus auch noch ein Chauvinist.
“Keine Arbeit für Frauen?”, rief Abby und packte ihren Bruder am Hemd. Allerdings fehlten ihr vor Empörung die Worte.
Meredith wäre so einiges eingefallen, was jetzt gepasst hätte, doch sie wollte sich nicht in eine Angelegenheit einmischen, die sie nichts anging. Hier drehte es sich um ein familiäres Problem, und damit hatte sie überhaupt keine Erfahrung.
Cinco wartete lächelnd darauf, dass seine Schwester sich beruhigte, und wechselte schließlich das Thema. “Was ist das denn für ein Unterricht, den du geben willst? Reiten? Ich wollte Meredith eigentlich zeigen, wie man auf ein Pferd steigt, aber dann bist du plötzlich aufgetaucht.”
Abby wandte sich erstaunt an Meredith. “Sie sind wirklich noch nie geritten?”
“Nein, mit Pferden hatte ich noch nichts zu tun. Ich bin Pilotin.”
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