Der Chaos-Pakt
schulterlanges schwarzes Haar wehen. Eine Strähne fiel ihr über das linke Auge, aber sie machte keine Anstalten, die Haare wegzustreichen.
»Richtig«, bestätigte Nylan. »Du warst gut zu ihm und das weiß ich zu schätzen. Wir suchen jemanden, der mit uns reitet und auf Weryl Acht gibt. Es wird nicht leicht werden, nicht so einfach wie hier.« Nylan hielt inne und überlegte. »Kannst du reiten?«
»Ja, Ser. Mein Vater arbeitet für Edicat. Sie haben mich reiten lassen, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
Der Ingenieur nahm an, dass Sylenia noch nicht sehr lange als erwachsene Frau galt, auch wenn manche Frauen ihr Leben lang mädchenhaft aussahen. Er holte Weryl von der mit Messing beschlagenen Truhe weg, wo der Junge auf wackligen Beinen gestanden und sich mit einer Hand am Messinggriff festgehalten hatte.
Nylan brachte seinen Sohn zu der jungen Frau. »Möchtest du, dass Sylenia auf dich aufpasst?«
Sylenia hob den Blick und sah den silberhaarigen Jungen lächelnd an. »Ein hübsches Kind.«
»Hast du nicht einmal ein Kind verloren? Acora?«, fragte Ayrlyn.
Sylenia nickte und erklärte mit leiser Stimme: »Mein Mädchen. Mein einziges Kind.«
»Bist du sicher, dass du diese Aufgabe übernehmen willst?«, fragte Nylan. »Es ist ein langer Ritt bis Clynya und zu der Kupfermine.«
»Ich stehe Euch zur Verfügung, Ser.« Das zierliche Mädchen schauderte leicht.
»Sylenia«, fügte Ayrlyn leise hinzu, »du stehst unter unserem Schutz.« Und trocken fuhr sie fort: »So viel unser Schutz eben nützt.«
»Fürst Gethen ... er sagte, keiner der Soldaten ...«
»Kein Einziger«, versprach Nylan ihr.
»Er sagte, Ihr wärt beide mächtige Krieger ... und Ihr wolltet Euer Kind nicht hier lassen.«
»Das ist wahr.«
Sylenia sah ernst zu Weryl.
»... aahh-raa...«, gurgelte Weryl lächelnd. Er deutete mit seiner pummeligen Faust in Richtung der dunkelhaarige Frau. »Aaaah...«
Nylan trat einen Schritt näher zu Sylenia und Weryl berührte ihre Wange und erforschte das Gesicht mit einer Sanftheit, die den Vater verblüffte.
»Ich würde gern auf ihn aufpassen ... wie auf mein eigenes Kind«, sagte die dunkelhaarige Frau, indem sie Weryls Finger ergriff. »Darf ich?«
»Aaaah... daaa...«, mischte Weryl sich ein. Er strampelte in Nylans Armen.
»Aber natürlich«, erwiderte Ayrlyn.
»Dann will ich so bald wie möglich damit beginnen«, sagte Sylenia mit fester Stimme.
»Gut, das wäre also geklärt«, gab Nylan zurück. »Wir brechen erst in ein paar Tagen auf, aber es ist natürlich sinnvoll, wenn wir jetzt schon dafür sorgen, dass du etwas Zeit mit Nylan verbringen und sehen kannst, wie wir gewisse Dinge regeln.«
»Wie Ihr wünscht.« Sie neigte höflich den Kopf.
Als Sylenia gegangen war, schloss Nylan hinter ihr die Tür und setzte Weryl wieder an der Truhe ab. Sofort packte der Junge den Messinggriff und zog sich hoch. »Daaa-daa.«
»Ja, jetzt stehst du und es wird nicht mehr lange dauern, bis du überall herumrennst.« Er schüttelte langsam den Kopf und wandte sich wieder zum Fenster um. Irgendwo da draußen im Südwesten lagen Clynya und die Kupfermine. Und dort warteten auch die Weißen Truppen und Cyador.
»Sie ist wirklich ein reizendes Mädchen«, sagte Ayrlyn, »und sie liebt Kinder.«
»Man hat ihr befohlen, für Weryl als Kindermädchen zur Verfügung zu stehen«, sagte Nylan nach kurzem Nachdenken.
»Offensichtlich.«
»Meinst du, es waren Zeldyan und Gethen?«
»Das nehme ich doch an.« Ayrlyn zuckte mit den Achseln. »Sie sind über Fornal nicht sehr glücklich.«
»Und sie können nichts dagegen tun?« Nylan tupfte sich die Stirn ab. Er schwitzte jetzt schon die ganze Zeit, kippte Unmengen Wasser in sich hinein und fühlte sich meist ziemlich elend – und die Leute sagten ihm, der Sommer hätte noch nicht einmal richtig begonnen. Er konnte es kaum erwarten.
»Wie denn? Zeldyan ist eine Frau und in dieser Kultur gelten Frauen nicht als geeignete Anführerinnen. Sie ist nur Regentin, weil sie Nessleks Mutter ist und weil ihre Familie mächtig ist. Falls Nesslek etwas zustößt, wäre nach allem, was ich mir zusammenreimen konnte, Gethen der Kandidat für den Posten des Herrschers, aber da Nesslek sein Enkel ist, geht ein Teil der Macht auf die Mutter über. Aber ... Fornal wäre der Erbe, falls Nesslek stirbt, und dies bedeutet, dass jede Bemühung von Zeldyan und Gethen, Fornal aus dem Rat zu bekommen, mit großer Skepsis aufgenommen werden würde. Außerdem können
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