Der Chaos-Pakt
würde.
»Was ist passiert?«, fragte Ayrlyn. »Ich habe gespürt, wie ...«
»Der Narr hat sich geweigert, meine Befehle zu befolgen.« Nylan schüttelte den Kopf. »Ich musste an Mran und Ryba denken. Ich glaube, ich bin auch nicht anders als sie. Ich dachte, ich wäre anders, aber ...« Er zuckte die Achseln.
»Sie hätten dich in Stücke gerissen, wenn du es nicht getan hättest«, meinte Ayrlyn.
»Traurig, was?« Jetzt rieb er sich die Stirn, um das Pochen zu vertreiben.
»So ist das Leben.«
»Verzeihung, Ser?«, fragte Tonsar.
»Ein Unruhestifter, ein großer schwarzhaariger Kerl namens Gysil, wollte eine Meuterei anzetteln. Er hat sich geweigert, meine Befehle auszuführen. Ich sagte ihm, er könne sich entscheiden, ob er gehorchen oder sterben will. Er hat mir nicht geglaubt.«
»Und was ist geschehen?«, wollte der Unteroffizier wissen.
»Er ist tot.«
Tonsar riss den Mund auf, dann schloss er ihn wieder. »So ... so schnell?«
»Wenn Ihr jemanden töten müsst, dann ist es besser, ihn schnell zu töten, denn dann kann er Euch nicht noch im Todeskampf verletzen.«
Tonsar schluckte, dann sah er sich über die Schulter um. »Ihr habt die Leiche nicht zurückgelassen?«
»Nein. Ich habe dem zweiten Streithahn befohlen, die Leiche aufs Pferd zu binden. Er wird den Toten in Clynya begraben.«
Wieder schluckte Tonsar. »Es hätte niemanden gestört, wenn Ihr ...«
»Wenn sie danach aufräumen müssen«, erwiderte Nylan, »nimmt ihnen das vielleicht ein wenig die Lust am Streiten.«
»Aber ... aber ...«, stammelte Tonsar.
»Glaubt Ihr, sie werden es mir übel nehmen?« Nylan zuckte mit den Achseln. »Soldaten haben immer etwas, das sie den Vorgesetzten übel nehmen. Solange sie sich daran gewöhnen, mir zu gehorchen, und keine Dummheiten mehr machen, soll mir das egal sein.«
Tonsar schloss den Mund. Ayrlyn, die hinter ihnen ritt, nickte nachdenklich. Sylenia war auf einmal emsig damit beschäftigt, die Riemen am Sitz des schlafenden Kindes zu überprüfen.
Nylan bemerkte, dass die Baumreihe am Ostufer des Flusses verschwunden war. Nur eine Reihe von Büschen folgte noch dem Wasserlauf. Am Westufer, zwischen der Straße und der Klippe, die bis in die Nähe des Flusses reichte, war nur Gras zu sehen.
Über ihnen glitt ein Schatten vorbei, eine dicke Wolke, die von den Westhörnern her nach Osten zog.
»Wir werden Clynya bald erreichen«, sagte Tonsar. »Gut ist auch, dass uns Regenwetter bevorsteht. Ein ordentlicher Regen, und der Staub legt sich auf der Straße nach Süden.«
»Wenn der Regen zu gut wird, verwandelt sich die Straße in ein Schlammloch«, wandte Ayrlyn ein.
»Ah, geehrte Engelsfrau, der Regen hier im Süden fällt niemals lange.«
Nylan hoffte, der Mann hatte Recht. Jedenfalls war es für den Augenblick eine Erleichterung, dass die Wolken das Sonnenlicht dämpften. Er drehte sich zu Ayrlyn um. »Du bist dran.«
»Genau.« Mit grimmigem Lächeln zog sie das Pferd herum und ritt zurück, um ihre beiden Züge Auszubildende und Unruhestifter zu inspizieren.
Die Sonne stand knapp über den Hügeln im Westen, als sie eine etwas größere Erhebung erreichten. Auf der anderen Seite senkte sich die Straße in ein sanftes Tal, das vom Fluss durchschnitten wurde. Brücken gab es keine, nur eine anscheinend recht flache Furt.
»Clynya ... Clynya ...«
Ein Murmeln lief durch die Reihen und verriet Nylan, dass sie sich ihrem Ziel näherten.
»Dabei ist noch nicht einmal die Sonne untergegangen«, verkündete Tonsar.
»Gut so«, murmelte Sylenia.
Nylan wischte sich Staub und Schweiß vom Gesicht und blickte zu den dunklen Wolken hinauf, die inzwischen zwei Drittel des Himmels bedeckten. Sie fühlten sich wie Regenwolken an, aber bisher hatte es keinen Regen gegeben. Der leichte Ostwind, der ihn auf dem Ritt kaum hatte kühlen können, hatte nicht die geringste Feuchtigkeit mitgebracht.
Als sie langsam zur Furt hinunterritten, sah er sich im Tal um. Im Gegensatz zu Rohrn lag Clynya am Ostufer des Flusses auf einem kleinen Hügel, beinahe zwei Meilen nördlich der Furt. War der Ort in geschützter Lage entstanden, weil die Jeraner die größere Bedrohung darstellten?
Den Fluss zur Verteidigung einzusetzen war durchaus sinnvoll, aber er fragte sich, ob Städte und Orte immer nach solchen Regeln gegründet wurden. Die Hochebene, die er für Westwind ausgewählt hatte, war als Standort einer Siedlung besser geeignet als die Stelle, wo Lornth lag, aber auf der Hochebene gab es noch
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