Der Chaos-Pakt
Aber warum?
Wieder klapperte der Wind an den Fensterläden.
Was wollte er eigentlich? Wollte er im obersten Stockwerk des Turms, den er gebaut hatte, allein leben? Wollte er weiterhin makellose Klingen schmieden, die Generationen überdauern würden? Bis Ryba seine Begabung für eine neue Art der Massenvernichtung einsetzte?
Was erwartete er noch von seinem Leben, nachdem es sich durch den Absturz ihres Raumschiffs im Handumdrehen so tief greifend verändert hatte? Aber hatte er eigentlich jemals gewusst, was er wollte? Oder hatte er sich nicht vielmehr stets von seinen Vorgesetzten vorschreiben lassen, was zu tun war? Den Turm zu bauen war die erste große Unternehmung gewesen, die er aus eigenem Antrieb in Angriff genommen hatte ... und das war jetzt erledigt. Selbst wenn es nötig werden sollte, einen zweiten Turm zu bauen, wäre es etwas anderes.
Er schüttelte den Kopf. Wieder klapperten die Fensterläden und der Schmied drehte sich auf der Liege herum und starrte auf das geschlossene Fenster und die Fensterläden. Er und Ayrlyn waren sich schon vor dem Winter näher gekommen, aber als sie dann im Turm eingesperrt waren, hatten sie sich nicht mehr ganz so gut verstanden. Oder war das nur eine Ausrede?
Er und Ayrlyn hatten sich abgesprochen, nicht regelmäßig miteinander zu schlafen, weil ... warum eigentlich? Weil er mit Ryba behutsam umgehen wollte? Weil er nicht sofort wieder in die nächste Beziehung schlittern wollte? Weil ihm bewusst war, dass Ayrlyn sich nach einer tiefen Bindung sehnte, zu der er sich nicht drängen lassen wollte?
Er holte tief Luft, drehte sich wieder um und kehrte dem Fenster und dem leise heulenden Wind den Rücken.
Ein Tropfen Wasser platschte auf den Holzboden. Wahrscheinlich stammte er vom schmelzenden Eis auf dem nicht völlig dichten Dach des Turms. Zwei Winter hatten den Mörtel, den sie beim Dachdecken aus Mangel an Pech verwendet hatten, gefrieren und bröckelig werden lassen.
Wieder fiel ein Tropfen herunter.
Der Schmied holte noch einmal tief Luft und hielt mitten in der Bewegung inne, weil er glaubte, vor der Tür ein Flüstern gehört zu haben – oder vielleicht auch nackte Füße auf der kalten Steintreppe des Turms. Aber Rybas Tür war nicht geöffnet worden. Er hätte sie gehört, auch wenn er schon seit einer Weile nicht mehr mit ihr das Lager teilte.
Wieder fiel ein Tropfen aufs Holz.
Seine eigene Tür wurde geöffnet und Nylan starrte in der Dunkelheit, die ihn allerdings kaum behinderte, zum Eingang. Der seltsame Unterraumsprung, der die Winterspeer auf diese Welt versetzt hatte – wie auf allen Welten nannten die Einheimischen ihren Planeten »die Welt« oder »die Erde« –, hatte nicht nur sein Haar glänzend silbern gefärbt, sondern ihm auch die Fähigkeit geschenkt, nachts beinahe so gut sehen zu können wie am Tag.
Der nächste Tropfen fiel herab.
Die Gestalt, die in sein Zimmer huschte, hatte nicht Ayrlyns hellrotes, sondern silbernes Haar.
»Istril?«, flüsterte er, indem er sich halb aufrichtete.
Sie legte ihm die Finger auf die Lippen und flüsterte ihm ins Ohr: »Nur heute Nacht. Ich habe mit der Heilerin gesprochen und wir sind uns einig.« Sie hielt inne. »Im Gegensatz zu mancher anderen, Nylan, würde ich dich nie hintergehen.«
»Aber ...«
»Ich will eine Tochter und du sollst ihr Vater sein. Das ist meine Vision.«
Bevor er noch einmal protestieren konnte, streifte die zierliche Frau ihre Kleider ab und glitt unter die dünne Decke. Ihre Haut war warm, nur die Füße waren eiskalt.
»Deine Füße ...«
»Sie sind kalt, aber mach dich bitte nicht über mich lustig. Es ist schon schwer genug ...« Sie schauderte und schmiegte den Kopf an seine Schulter.
Nylan spürte, dass ihre Wangen auf seiner nackten Haut feucht wurden. Er nahm sie staunend in die Arme. Ayrlyn? Istril würde ihn ganz sicher nicht anlügen.
Ayrlyn? Warum hatte sie zugestimmt?
Er streichelte eine Weile Istrils silbernes Haar, bevor er sie sanft auf die zitternden Lippen küsste und sich entschloss, nicht abzulehnen, was ihm geschenkt werden sollte.
X
L ephi starrte die polierten weißen Steinplatten im Thronsaal von Cyad an und unterdrückte ein Gähnen. Direkt vor und unter dem übergroßen Thron aus Malachit und Silber und rechts vom Herrscher von Cyador stand der Weiße Magier Themphi. Weiter unten und links wartete Duhru, die Stimme Seiner Majestät.
»Wir können dieses Spielchen ein wenig abkürzen«, murmelte der Herr von Cyador. »Gebt
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