Der Chaos-Pakt
Wahrscheinlich ist der Brunnen versiegt, als der Wasserspiegel gefallen ist.«
»Wieder ein Teil des Rätsels.«
»Das ist kein Rätsel«, erklärte die rothaarige Frau. »Dieser Teil Candars verändert sich und bekommt nach und nach ein trockeneres Klima.«
Die Straße folgte am Nordrand des Tals einer Linie, die mehr oder weniger der früheren Hochwassermarke des Sees entsprechen mochte. Hier war das Gras kräftiger als in den Hügeln und stellenweise sogar grün.
Auf der rechten Straßenseite weideten ein paar grauweiße Schafe, aber ein Hirte war nirgends zu sehen.
»Hier leben nicht viele Menschen«, bemerkte Ayrlyn.
»Ich habe den Eindruck, dass wir an der Grenze zu Cyador angelangt sind.«
»Dies ist das wirkliche Rätsel«, sagte sie. »Warum ist Cyador so sehr daran interessiert, Lornth zu erobern? Das Tal hier ist viel freundlicher als das südliche Lornth und trotzdem haben die Menschen es verlassen.«
»Vielleicht ist es wegen des Kupfers oder der Kohle oder anderer Bodenschätze, die sie brauchen.«
»Vielleicht ... aber ich bin mit dieser Antwort irgendwie nicht zufrieden.«
»Sie mögen die Leute in Candar nicht«, warf Sylenia ein, die hinter ihnen ritt. »Sie mögen überhaupt niemanden, der jenseits der weißen Mauern lebt.«
Das leise Blöken der Schafe wehte zu den Reitern herüber. Nylan blickte zu den Tieren hinunter. Nirgendwo waren Hirten und Hirtenhunde zu sehen. Ein goldener Vogel, schwer und unförmig, erhob sich neben der Straße aus dem kniehohen Gras in die Luft und flog nach Süden, wo das Gras sogar noch höher war.
»Das sah aus wie eine Art Fasan ...«
»Wenn es wie ein Fasan ausgesehen hat ...«
»... dann war es vermutlich auch einer«, beendete Ayrlyn den Satz.
»Ich möchte wetten, dass die gut schmecken.« Nylan lief das Wasser im Mund zusammen.
»Sie sind wirklich köstlich«, bestätigte Sylenia. »In Lornth dürfen nur die Fürsten Fasane jagen.«
Das sah den Leuten ähnlich. Nylan betrachtete den See vor ihnen. Am Südufer entdeckte er eine mit Schilf bewachsene Fläche.
»Glaubst du, wir sind hier sicher? Oder sollen wir lieber warten, bis es dunkel ist?«
»Wenn jemand uns gesehen hat, dann hat er sich längst entschlossen, etwas zu unternehmen ... oder eben auch nicht. Und wenn er sich entschlossen hat, dann werden wir es bald erfahren. Wenn nicht, wäre es sinnlos, ihm noch mehr Zeit zu geben. Außerdem brauchen wir das Wasser.« Ayrlyn hielt inne. »Und ich habe nicht das Gefühl, dass viele Menschen in der Nähe sind.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Goldener Sand lag hundert Ellen breit und fast doppelt so weit am Seeufer. Es sah beinahe aus wie ein Badestrand in Svenn.
»Der Zulauf trägt den Sand hierher. Das Schilf hält den Boden und organische Stoffe fest. Wahrscheinlich ist der See sehr sauber. Ich würde gern baden.« Ayrlyn blickte zum Haus, das am Westufer auf dem Hügel stand. »Das ist die erste größere Wasserfläche, seit ... ich weiß gar nicht mehr, wie lange es her ist.«
»Weryl könnte auch ein Bad gebrauchen«, fügte Sylenia hinzu.
Nylan war überzeugt, dass sie Recht hatte. »Lasst uns zuerst die Pferde tränken und die Wasserflaschen füllen«, schlug er vor. »Vorsichtshalber.«
»Wahrscheinlich hast du Recht, aber es fühlt sich an, als wäre das Haus da oben das einzige, in dem sich überhaupt Menschen aufhalten.«
Sie zügelten die Pferde direkt vor der Sandfläche. Nylan blickte noch einmal zum Haus, aber dort drüben ließ sich nach wie vor niemand blicken. Nur die dünne Rauchsäule kräuselte sich in den Himmel hinauf.
»Ich tränke da drüben die Pferde und du kannst mit Sylenia die Wasserflaschen auffüllen. Wenn niemand kommt, könnt ihr drei baden und ich halte Ausschau.«
»Das kann ich mir vorstellen, dass du Ausschau hältst. Aber wirst du auch in die richtige Richtung schauen?«
»Ich wollte es doch nur gut organisieren«, protestierte Nylan. »Selbst wenn jemand kommt, wird es noch eine Weile dauern, bis er hier ist.«
Ayrlyn nickte. »Ich verstehe. Und dann müssen wir die Angreifer abhalten, während du eilig in die Hosen steigst?« Sie grinste. »Vielleicht gebe ich mal eine falsche Warnung ab, nur um dich dabei beobachten zu können. Vor allem wenn deine Augen zu sehr schweifen, während wir baden.«
»Vielen Dank auch.«
»Du bist gewarnt.«
Als die Wasserflaschen gefüllt waren, zog Sylenia sich und Weryl eilig die Sachen aus, watete in den See und tauchte Weryls Füße ein. Nylan gab sich zwar
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