Der Chaos-Pakt

Titel: Der Chaos-Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt jr.

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eine unbestimmte Vorstellung von sich selbst, ein Gefühl, das ...
    »Wie würdest du das übersetzen?«, fragte Nylan nachdenklich.
    »Ich würde es nicht übersetzen. Nenne ihn einfach Nados oder Naclos oder Nasclos ... so ähnlich würde es klingen. Dem Wald ist es egal.«
    »Naclos«, beschloss der Ingenieur. »Auch wenn es nichts bedeutet.«
    »Es bedeutet ›Großer Wald‹ oder so ähnlich.«
    »Er ist wirklich groß.«
    »So viel Kraft«, murmelte Ayrlyn.
    »Gegen die alten Rationalisten konnte er nicht viel ausrichten.«
    »Wirklich nicht? Woher wissen wir das? Außerdem denkt er in viel größeren Zeiträumen. Die alten Sperren, was immer sie auch waren, haben versagt und der Wald scheint auf dem besten Wege, seine frühere Position zurückzuerobern.«
    »Es sei denn, die Weißen Magier kehren mit noch stärkeren Waffen zurück.«
    »Vielleicht haben sie sich zurückgezogen, weil sie etwas anderes tun mussten?«, überlegte sie.
    »Beispielsweise gegen Lornth kämpfen? Aber warum?«
    Ayrlyn zuckte mit den Achseln. »Uns fehlen noch viele Mosaiksteine des Gesamtbildes. Ich habe einfach ein Gefühl, dass es so ist, aber ich kann es nicht begründen.«
    Obwohl es ein warmer Abend war, wurde Nylan kalt. Unter dem riesigen und doch unsichtbaren Schatten des Waldes fühlte er sich klein und verlassen. »Ich bin zu müde, um weiter darüber nachzudenken.«
    Ayrlyn stand auf. »Ich auch. Vielleicht können wir Klarheit gewinnen, wenn wir darüber geschlafen haben.«
    Nylan war sich nicht so sicher, aber er stand langsam auf, atmete noch einmal den Duft der Gemüsesuppe ein und ging im Licht der funkelnden, fremden Sterne in das kleine Haus.

CXIX

    N ylan tupfte sich mit einer Hand die Stirn ab, als sie durch die jungen Bäume ritten, die ihm beinahe bis zur Brust reichten. Die Luft war hier feuchter, aber selbst am Nachmittag, wenn er die Sonne voll im Rücken hatte, war ihm lange nicht so heiß wie im südlichen Lornth. Der Wald beeinflusste die Wärmestrahlung, vermutete er.
    Als sie die beinahe hundert Ellen hohen alten Bäume fast erreicht hatten, brach die Stute wieder tänzelnd aus, schnaubte und schüttelte unwillig den Kopf.
    »Sie will nicht in den älteren Teil des Waldes hinein.« Noch während er sprach, wurde Nylan bewusst, wie dumm seine Worte klangen.
    Sie waren an den Grenzen des Waldes hin und her geritten, aber es war überall das Gleiche. Das Grün breitete sich aus, eroberte die verstreut stehenden, verlassenen Häuser, die von einer Kultur gebaut worden waren, die weitaus höher entwickelt war als alles andere in Candar ... und die ganze Zeit spürten sie die unsichtbare dunkle Gegenwart des Waldes, in dem die Ströme von Ordnung und Chaos im Gleichgewicht waren.
    Es war ein Rätsel, ein einfaches, aber nicht aufzulösendes Rätsel. Und wie immer bei Rätseln kam sich der Schmied ausgesprochen dumm vor. Denn wenn man erst die Lösung wusste, kamen sie einem so einfach vor, dass man Lust bekam, mit dem Kopf gegen eine Mauer zu rennen oder den zu erschlagen, der das Rätsel gestellt hatte. Aber ein Wesen wie den Wald konnte man natürlich nicht erschlagen. Dennoch, allmählich begann er zu verstehen, warum die Cyadoraner ihn den Verwunschenen Wald nannten.
    »So schlimm ist es doch gar nicht«, beschwichtigte Ayrlyn.
    »Ich bin einfach nur frustriert. Wir laufen Tag um Tag hier herum und vergeuden unsere Zeit. Jeden Augenblick könnten die Cyadoraner Lornth angreifen.« Der silberhaarige Engel stieg ab und band die Zügel der Stute an einem kräftigen jungen Baum fest. Ayrlyn folgte seinem Beispiel.
    »Willst du denn nach Syskar zurückreiten und dich beim ersten größeren Angriff der Cyadoraner abschlachten lassen?«
    Ayrlyns vernünftige Entgegnung war nicht geeignet, seinen Zorn zu dämpfen. Statt etwas zu erwidern, lief er durch den jungen Wald zu den älteren Bäumen hinüber, zu den turmhohen dunklen Stämmen, die sich dem grünblauen Himmel entgegenreckten.
    Unter seinen Stiefeln knisterte es. Er blickte hinunter zu den vertrockneten braunen Blättern und Stängeln der Bohnen. »Von Nutzpflanzen hält er wohl nicht viel.«
    »Von Monokultur auch nicht«, fügte die Heilerin mit dem hellroten Haar hinzu.
    Nylan blieb vor der mit Ranken überwucherten Mauer stehen, die ihm nur noch bis zum Knie reichte. »Sie ist niedriger geworden. So schnell dürfte das doch eigentlich nicht gehen.«
    »Es gibt hier eine Menge Dinge, die eigentlich nicht möglich sind.«
    Nylan schnaubte gereizt.