Der Chaos-Pakt
»Ich weiß nicht. Sobald wir versuchen, die Ströme der Ordnung irgendwie zu kontrollieren, setzt eine heftige Reaktion ein.«
»Gleichgewicht ... auf das Gleichgewicht kommt es an.«
»Aber warum? Der Wald denkt doch nicht. Jedenfalls nicht so, wie wir denken können.«
»Muss er das denn?«, fragte die rothaarige Frau trocken. »Das Denken ist unsere Aufgabe und wir sind nicht sehr gut darin.«
Der silberhaarige Engel band sein Pferd los. »Wir müssen noch mehr nachdenken. Oder reden. Oder sonst etwas tun.«
»Du wolltest doch nicht nachdenken«, sagte sie mit leichtem Lächeln.
»Ich muss ... wir müssen ... wir müssen irgendwie besser nachdenken und bessere Ideen haben. Außerdem habe ich Hunger.« Und ich bin müde und besorgt und frustriert, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen.
»Ich weiß«, antwortete Ayrlyn leise. Ich weiß ...
CXX
D er Engel mit den silbernen Haaren ließ sich vor den Büschen auf den Boden fallen, setzte Weryl zwischen seinen Beinen ab und sah sich im Flachland um, wo meilenweit kleine Bäume wuchsen, die ein Stück vom Haus entfernt in höheren Wald übergingen.
Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn, das sauber rasiert war und ein paar frische Schnitte trug. Die Rasierklinge, die er selbst geschmiedet hatte, war äußerst scharf und nicht ungefährlich, zumal er nicht einmal Seife hatte. Wasser tropfte ihm von den feuchten Haaren in den Nacken.
Das Gras, das auf dem Hügel wuchs, war stellenweise braun verfärbt und stellenweise grün. Er fragte sich, welches Muster der Wald dort zeichnete, indem er hier das Gras stehen ließ und woanders nicht.
Weryl packte Nylans rechtes Knie und zog sich hoch, um zum nächsten Busch zu staksen und vorsichtig einen Ast zu berühren.
Ayrlyn setzte sich neben Nylan. Auch ihr kurzes Haar war feucht, nachdem sie mehr schlecht als recht versucht hatte, es zu waschen. »Was denkst du an diesem trüben Morgen?«
Er warf einen Blick zu den niedrigen grauen Wolken hinauf, dann sah er sie an. »Der Wald ist der Schlüssel zu allem anderen.« Wieder einmal kam Nylan sich dumm vor, nachdem er etwas Offensichtliches gesagt hatte, aber mehr als das Offensichtliche wollte ihm nicht einfallen.
»Weißt du den Grund?«
»Nein. Nein, nicht wirklich. Der ganze Planet ähnelt dem Energiesystem eines Schiffs – gewaltige Energien, die von der Ordnung gebändigt werden, und ständig wirbeln kleinere Ströme kreuz und quer dazwischen.« Nylan schluckte und rieb sich die juckende Nase. »Das Weiße Zeug ... das, was wir als Chaos bezeichnen ... dort liegt die größte Energie. Die Ordnung – die dunklen Ströme ... sind eher Begrenzungen als echte Energieströme. Sie sorgen dafür, dass das System reibungslos läuft. Man braucht beides.«
»Du machst Fortschritte.«
»Es kommt eigentlich nur darauf an, die Dinge, die wir schon wissen, auf die richtige Weise zu übertragen.«
Weryl ließ den Ast los und sah sich zu seinem Vater um, dann marschierte er ungefähr zehn Ellen weiter, bis er sich auf den Boden plumpsen ließ, um einen frischen Ableger zu untersuchen, der auf dem Weg in der Fuge zwischen zwei Steinen wuchs. Der kleine Junge streichelte vorsichtig und behutsam die Pflanze.
»Wenn es kein Chaos gibt, dann gibt es auch keine Energie, die das System antreibt«, meinte Ayrlyn. »Aber ohne die Ordnung hättest du einen unkontrollierten Energieausbruch, der einfach verpufft und Wärme erzeugt?«
»Ich weiß es nicht sicher, aber so ähnlich könnte es sein. Es muss ein Gleichgewicht geben und irgendwie haben die alten Rationalisten das Gleichgewicht erhalten. Dann ist etwas passiert ...«
»Was willst du jetzt tun?«
»Ich glaube, wir werden als Systemingenieure arbeiten.«
»Ich bin keine Ingenieurin.«
»Das hier ist auch kein Schiffssystem. Hier brauchen wir unser Gefühl. Und genau an dieser Stelle kannst du helfen.«
»Oh?«
»Ich will versuchen, das System zu erspüren.«
»Nach allem, was schon passiert ist?«
»Wir versuchen es innerhalb des alten Bewuchses.«
»Willst du wirklich da hinein?«, fragte Ayrlyn stirnrunzelnd.
»Warum nicht? Wie wir herausgefunden haben, kann der Wald sogar aus größerer Entfernung zuschlagen. Was macht es schon für einen Unterschied, ob man mitten in einem Energiestrom oder am Rand steht, wenn er chaotisch wird?«
Ayrlyn grinste. »Der Unterschied liegt in der Größe der Partikel, in die man zerlegt wird, und ich glaube nicht, dass ich in der Stimmung bin, mich zerlegen zu
Weitere Kostenlose Bücher