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Der Chaos-Pakt

Titel: Der Chaos-Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt jr.
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und stieg über die Mauer, die beinahe schon unter den Ranken verschwunden war. Noch einmal schluckte er, dann bemühte er sich, ruhiger zu werden.
    Ayrlyn berührte ihn am Arm. »Ich bin bei dir, wir tun es zusammen. Vergiss das nicht.«
    Und was war es, das sie zusammen taten?
    Schließlich ließ Nylan seine Gedanken einfach treiben, als wäre er noch im Energienetz der Winterspeer. Er streifte mit den Sinnen durch den Dunst und die grünen Sprossen, durch die verflochtenen heißen und rötlichweißen Ströme des Chaos und die kühlen Fäden der dunklen Ordnung. Neben sich spürte er Ayrlyn, die fest in der Ordnung verwurzelt war, in der Ferne bemerkte er sogar Weryl, der ein unschuldiges Gleichgewicht zwischen Dunkelheit und Chaos gefunden zu haben schien.
    Sie kamen fast mühelos voran, während sie äußerlich unbewegt standen und sich mit dem Geist durch die wirbelnde Dunkelheit und die Ströme des Chaos bewegten, durch ein unsichtbares, engmaschiges Netz, in dem zwei Kräfte umeinander spielten. Aber Grau gab es nicht, nur Schwarz und Weiß. Eine Schwärze, die dunkler war als die Nacht, und ein mit stumpfem Rot durchsetztes Weiß, das an die heißen Kohlen eines Schmiedefeuers erinnerte.
    Unter den Strömen lag eine zweite, tiefere Ebene, wo Ordnung und Chaos auf noch innigere Weise miteinander verknüpft waren. Warum war der Strom der Energien in der freien Luft besser zu verfolgen? Lag es an der Erde? Wurde es immer komplexer, je tiefer man vordrang?
    Nylan holte noch einmal Luft und versuchte, das feine Gemisch von geordneter Dunkelheit und weißrotem, brennendem und zerstörerischem Chaos zu verstehen. Ein unentwirrbares Gemenge aus Ordnung und Chaos war es. Einander überlagernde Muster zerrten an ihm und zogen ihn immer tiefer in sich hinein.
    Mitten in einem Hain, der unter seinen Augen zu wachsen schien, wallten gleichzeitig reines Schwarz und weißrotes Chaos auf und strömten umeinander wie eine Fontäne. Hinter dieser Fontäne war ein Pulsieren kleinerer Ordnungs-Ströme vor einem kräftigeren Chaos zu spüren, den Regelkreisen ähnlich, die ein Kraftwerk steuerten.
    Nylan räusperte sich. Ayrlyn berührte ihn am Arm, ein dunkler Hauch und eine Spur tröstender Ordnung inmitten der Energieströme, die um ihn aufbrandeten. Er entspannte sich so gut wie möglich und versuchte, das Miteinander von Ordnung und Chaos in sich aufzunehmen, ohne es zu bewerten. Er ließ sich an den Fäden der Ordnung entlang treiben. Angesichts dieser Kräfte wirkte das Energienetz der Winterspeer winzig klein.
    Schließlich näherte er sich einem dunklen Quell der Ordnung, der irgendwie aus den tiefsten Wurzeln des Waldes selbst zu kommen schien, aus den geschmolzenen Felsen unterhalb von Candar, tief unter Cyador.
    Der Quell veränderte sich, während Nylan sich ihm näherte. Auf einmal kochte ein weißer Strom aus der Schwärze hervor, rotes Chaos schoss heraus und strömte in alle Richtungen. Ein kühler Faden der Ordnung winkte und einen Augenblick lang glaubte Nylan das Miteinander der Muster zu verstehen. Es ähnelte dem Geflecht der einander überlagernden Kraftschirme der Schiffe, wenn sie die Energien auf einen Spiegelturm der Rationalisten konzentrierten.
    Eine Spur aus geschmolzenem Chaos, rot und mit trübem Weiß durchsetzt, schoss aus dem Nichts heran. Nadeln, die sich anfühlten wie präzise ausgerichtete Laserstrahlen, schienen ihn zu durchbohren. Ein weiteres, dickeres weißes Band legte sich um die Sinne des Ingenieurs, wickelte sich um seine Knie und strömte immer höher, bis es seine Hüfte umgab.
    Nylan fuhr auf, wollte nicht einfach herumstehen und sich einwickeln lassen, wollte sich losreißen – aber schon schlug der nächste dünne weiße Faden nach ihm, bewegte sich unglaublich schnell für etwas, das tief in einem langsam wachsenden Wald verwurzelt war.
    Ein schwarzes Band, das sich anfühlte wie geordneter Stahl, schlug nach ihm und seine Knie gaben nach. Und schon kam die nächste weißrote Peitsche. Er hob die Arme und drehte sich um, wollte Ayrlyn vor dem Angriff des Chaos oder was es auch war beschützen.
    Seine Seele und sein Gesicht brannten.
    »Mir geht es gut.« Er fühlte ihre Worte mehr, als dass er sie hörte.
    Nylan sammelte sich wieder und versuchte, sich aus den Strömen herauszuhalten, wie es einem Ingenieur entsprach, er wollte strukturieren, was es zu strukturieren gab, wollte das Chaos fließen lassen, das fließen wollte, und zwang sich und seine Sinne und sein Ich zu einer

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