Der Chaos-Pakt
inzwischen war der Vormittag schon fast vorbei. Allerdings hatten sie die Pferde nicht sonderlich angetrieben und das Reiten im Schlamm war schwierig. Hin und wieder stießen sie sogar noch auf Schneeverwehungen, einige fast hüfthoch, und der Weg verlief alles andere als gerade. Der kürzeste Weg hinunter wäre der über die Klippe gewesen. Da sie aber nicht fliegen konnten, mussten sie von Westwind aus der Straße den Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter folgen. An der Gabelung unter dem Höhenzug waren sie dann nach Süden abgebogen, um in westlicher Richtung die Berge zu umrunden, bis sie, stetig bergab reitend, endlich die Wälder der Westhörner unterhalb der Klippe erreichten. Nylan nahm an, dass der Weg letzten Endes zu irgendeinem Ort in Lornth führte, aber es war nicht die Hauptstraße und weder er noch Ayrlyn waren bisher weit über die Ziegelmanufaktur hinausgekommen. Sie hatten ohnehin keine Zeit für Vergnügungsreisen. Ayrlyn hatte auf ihren Handelsexpeditionen im letzten Jahr immer nur die besten Straßen gewählt und selbst dort war das Vorankommen mühsam genug gewesen.
Nylan blickte kurz zu den Bäumen und forschte mit Ohren und Ordnungs-Sinnen im Waldstück, das vor ihnen lag. Doch außer Nagetieren, Baumratten und einigen Vögeln konnte er nichts spüren.
Schmutzige Schneehaufen lagen unter den ausladenden Ästen der immergrünen Bäume, wo diese ihr Winterkleid abgestreift hatten. Zum ersten Mal seit dem letzten Herbst konnte Nylan wieder Vogelrufe hören, im Augenblick allerdings nur die heiseren Schreie des Verrätervogels.
Der Schmied und die Heilerin waren mit jeweils zwei Klingen aus Stahllegierung bewaffnet und im Köcher, der hinter Nylans Sattel befestigt war, steckte neben mehr als einem Dutzend Pfeilen einer der Kompositbogen, die er mit der letzten Energie des Laserstrahlers hergestellt hatte. Die Pfeile waren mit den Spitzen aus Schwarzem Eisen versehen, die er selbst geschmiedet hatte. Der Schmied hoffte, es bliebe ihm erspart, die Waffen einzusetzen.
»Der Schlamm ist dieses Jahr schlimmer«, bemerkte Ayrlyn, als ein Klumpen Dreck, den Nylans Pferd mit den Hufen hochgeschleudert hatte, knapp über den Stiefeln auf ihrer Reithose landete.
»Wir hatten mehr Schnee, der außerdem später geschmolzen ist. Die ersten Schneelilien brechen gerade durch die verharschte Schneedecke.«
»Ich habe mich schon gewundert.«
»Ich auch. Wahrscheinlich müssen wir auch die Nutzpflanzen später setzen.«
»Die großen roten Hirsche kommen gerade erst in die Hochwälder. Welcher Winter mag wohl typischer für die Gegend sein?«
»Dieser«, gab Nylan lachend zurück. »Ein Glück, dass der erste Winter so mild war.«
»Mild würde ich ihn nicht gerade nennen. Ein milder Winter mit einer dicken Eisschicht auf allen Innenwänden des Turms?«
»Wir hatten nicht genug Feuerholz und verglaste Fenster. Die Läden allein konnten den Wind nicht abhalten.«
»Und an Decken und Lebensmitteln hat es auch gefehlt.« Ayrlyn rückte ein wenig im Sattel hin und her. »Schau nur, da sind Spuren.« Sie deutete auf mehrere Abdrücke auf einer Schneefläche, die rechts neben dem Weg unter den Ästen einer Tanne im Schatten lag.
»Eine große Schneekatze, aber die Spuren sind leicht angeschmolzen. Ich würde sagen, von gestern oder vorgestern. Istril hofft ja immer noch, ich könnte eine weitere Katze töten oder sogar zwei, damit sie für Weryl einen Parka machen kann.« Der Schmied lachte. »Die erste hätte mich beinahe erwischt und die zweite war auch nicht viel besser.«
»Die Mäntel sind aber warm und weich.«
»Die Katzen haben Krallen wie Dolche, nur schärfer.«
»Wie Ryba«, bemerkte Ayrlyn.
»Wenn sie unbewaffnet gegen eine Katze kämpfen würde, dann würde ich auf Ryba setzen.«
»Die Wette würdest du gewinnen«, bekräftigte die Heilerin.
Sie lachten beide und das Geräusch hallte einen Augenblick durch den Wald, ehe es sich zwischen den hohen Fichten und Tannen am Straßenrand verlor.
Nachdem sie die Stuten durch eine tiefe, matschige Schneewehe gelenkt hatten, war zu ihrer Linken eine enge Schlucht zu sehen, als hätte ein scharfes Messer die Klippe zerteilt. Sie ritten die schmale Straße hinauf, die sie vor einem Jahr erweitert hatten, damit ein Wagen passieren konnte, bis sie eine natürliche Lichtung erreichten, wo der Bach eine nackte Lehmböschung umrundete. Dahinter stand ein niedriges Gebäude.
»So, da wären wir – die berühmte
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