Der Chaos-Pakt
betrachtete Weryl. Der Regen würde weder dem Jungen noch seinen heilenden Wunden gut tun.
»Das wird ein richtiges Unwetter«, bestätigte Ayrlyn.
Als ihre Pferde leicht bergab liefen, der graue Wallach am Seil hinterdrein, hatte der Schmied etwas Zeit, den Weiler vor ihnen zu betrachten. Die Mauern der Häuser bestanden aus Naturstein, die man anscheinend nicht mit Mörtel verbunden, sondern passend zurechtgeschlagen und einfach aufeinander gestapelt hatte. Die Dächer bestanden aus dicken, unebenen Holzplanken, deren Fugen mit schmaleren Holzstreifen verschlossen worden waren.
Schon aus mehr als hundert Ellen Entfernung konnte Nylan goldene und braune Hühner neben einer Hütte erkennen. »Hühner ... sie haben Hühner.«
»Hier hat jeder Hühner. Sogar weiter südlich in den Ebenen, wo es heißer ist, werden Hühner gehalten.«
»Es wird noch heißer und flacher?«
»Aber natürlich.«
Nylan stöhnte. »Dabei ist erst Frühling.«
Hinter ihnen, schon etwas näher, grollte der Donner. Weryl erschauerte im Tragesack, als könnte er, obwohl er schlief, die Spannung zwischen Ordnung und Chaos in den aufziehenden Gewitterwolken spüren.
»Wie hat man dich hier aufgenommen?«, fragte Nylan.
»Sie haben jedenfalls nicht gleich alle Läden zugeschlagen.«
»Oh?« Nylan schob Weryl ein wenig im Tragesack hin und her und ignorierte das Stechen in der Schulter.
»Übrigens haben sie überhaupt keine Fensterläden. Sie besitzen auch sonst nicht viel außer Lebensmitteln. Nein, das war falsch. Sie haben zwar Fensterläden, aber keine verglasten Fenster.«
»Können wir hier Lebensmittel kaufen? Korn für die Pferde wäre gut.«
»Ich habe hier schon einmal eingekauft, aber es hängt davon ab, wie die Ernte war.«
»Wir haben ja den Banditen ein paar Münzen abgenommen.«
»Fünf Silberstücke und ein Dutzend Kupfermünzen. Nicht gerade eine gerechte Entschädigung für die Verletzungen und Schmerzen.«
»Und ein graues Packpferd und einen Sattel.« Nylan sah sich noch einmal rasch über die Schulter um, aber das Unwetter war noch nicht viel näher gekommen. Andererseits konnte man sich in Candars reiner Luft, was Entfernungen anging, sehr leicht irren. Die beiden ritten weiter, bis von den Westhörnern neues Donnergrollen herunterdröhnte.
»Ein starker Sturm«, bestätigte Ayrlyn, als sie sich dem Weiler näherten. »Da oben ist eine Menge Chaos.«
»Kannst du es fühlen?«
»Du nicht?«
»Erst wenn es viel näher ist«, gestand er. »Ich glaube, du kommst besser mit den Winden zurecht.«
»Man glaubt es kaum ... du gibst wirklich zu, dass ich etwas besser kann.«
»So schwer es mir auch fällt.« Er zwang sich zu einem Grinsen.
Sie antwortete mit einem kleinen Lächeln, blickte aber sofort wieder zu den Hütten vor ihnen. Zwischen den Gebäuden gab es keine Straßen, sondern nur Trampelpfade. Links und rechts neben jedem Haupthaus standen kleinere Nebengebäude. Einige davon waren Außentoiletten, wie Nylan erkennen konnte, als der auffrischende Wind entsprechende Gerüche in seine Richtung trieb. Nicht besonders saubere Außentoiletten.
Hinter den Häusern waren kleine Grundstücke abgeteilt, die man umgegraben hatte. Die sorgfältig gepflegten Gärten bildeten einen seltsamen Kontrast zu den Schutthaufen, die sich vor den Türen einiger Häuser angesammelt hatten.
»Da ist die Händlerin! Niemand sonst hat Haare wie ... oh, da ist noch eine Frau mit grauen Haaren bei ihr.« Der Junge verschwand im zweiten Gebäude.
»Sie werden enttäuscht sein, wenn sie sehen, dass ich ein Mann bin.« Nylan rutschte ein wenig im Sattel hin und her, Weryl gähnte. Natürlich, der Junge wurde wach, weil sie gleich anhalten würden.
»Die Männer werden sicherlich enttäuscht sein. Wie es mit den Frauen steht, weiß ich nicht«, gab Ayrlyn grinsend zurück. »Aber du solltest lieber keine großen Anstrengungen unternehmen, es herauszufinden.«
»Wie sollte ich auch mit meinem kleinen Freund hier?«
»Willst du damit sagen, dass du es versuchen würdest, wenn Weryl nicht dabei wäre?«
»Nein ...«, stammelte Nylan. »So habe ich das nicht gemeint.«
»So hast du es auch nicht gesagt.«
Nylan musste sich schon wieder die Stirn abwischen. Warum sagte er immer nur so dumme Sachen? Einerseits wollte Ayrlyn, dass er mehr aus sich herausging. Andererseits bedeutete mehr Lebhaftigkeit auch, dass er weniger vorsichtig war, und wenn er weniger vorsichtig war, dann ... Er seufzte.
»Warum das Seufzen?«
»Später«,
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