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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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begleiten.«
     
    »Ich will Ihnen keine Umstände machen. Sie scheinen eine vielbeschäftigte Frau zu sein.« 
    »Aber ich kann selbst entscheiden, was ich für wichtig halte.«
     
    Hong Qiu stand auf. »Ich nehme später am Nachmittag Kontakt zu Ihnen auf und teile Ihnen mit, wann wir uns morgen treffen können.«
     
    Birgitta Roslin lag es auf der Zunge zu sagen, welche Zimmernummer sie hatte. Dann dachte sie, dass Hong Qiu sie bestimmt schon wusste.
     
    Sie sah Hong Qiu durch die Bar zum Ausgang gehen. Der Mann, der mit der Tasche gekommen war, schloss mit einem weiteren Mann zu ihr auf, bevor sie aus ihrem Gesichtsfeld verschwanden.
     
    Sie blickte auf die Tasche und musste lachen. Es gibt einen Eingang, dachte sie, und es gibt einen Ausgang. Eine Tasche verschwindet und wird wiedergefunden. Aber was eigentlich dazwischen passiert ist, davon weiß ich nichts. Es besteht die Gefahr, dass ich nicht zu unterscheiden vermag, was meine Hirngespinste sind und was Wirklichkeit ist.
     
    Hong Qiu rief eine Stunde später an, gerade als Birgitta ins Zimmer gekommen war. Nichts wunderte sie mehr. Es war, als verfolgten ihr unbekannte Menschen jede ihrer Bewegungen und könnten in jedem Augenblick sagen, wo sie sich befand. Wie jetzt. Sie tritt ins Zimmer und das Telefon klingelt.
     
    »Morgen früh um neun Uhr«, sagte Hong Qiu.
     
    »Wo?«
     
    »Ich hole Sie ab. Wir besuchen ein Gericht am Stadtrand von Peking. Ich habe es ausgewählt, weil dort morgen eine Richterin Dienst tut.«
     
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
     
    »Wir wollen alles tun, um Sie für den unglücklichen Zwi schenfall zu entschädigen.« 
    »Das haben Sie schon getan. Ich fühle mich von beschützenden Geistern umgeben.« 
    Nach dem Telefongespräch leerte Birgitta Roslin ihre Handtasche aufs Bett. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, wieso die Streichhölzer darin gewesen waren statt in ihrem Koffer. Sie öffnete die Schachtel. Sie war halbvoll. Birgitta runzelte die Stirn. Jemand hat geraucht, dachte sie. Diese Schachtel war voll, als ich sie eingepackt habe. Sie leerte sie aufs Bett, zog die Schachtel auseinander. Was sie zu entdecken erwartete, wusste sie nicht. Eine Streichholzschachtel ist, was sie ist. Genervt packte sie die Streichhölzer wieder zurück und tat die Schachtel in die Handtasche. Jetzt ging sie wieder zu weit. Ihre Einbildungen häuften sich. Den Rest des Tages verbrachte sie mit der Besichtigung eines buddhistischen Tempels und einem ausgiebigen Abendessen in einem Restaurant nicht weit vom Hotel. Sie schlief, als Karin Wiman auf Zehenspitzen ins Zimmer kam, und drehte sich nur auf die andere Seite, als das Licht anging. Am nächsten Tag standen sie gleichzeitig auf. Weil Karin verschlafen hatte, sagte sie nur, dass die Konferenz um zwei Uhr zu Ende ging. Danach war sie frei. Birgitta Roslin erzählte, dass sie ein Gericht besuchen wollte, erwähnte aber noch immer nichts von dem Überfall.
     
    Hong Qiu wartete an der Rezeption. Sie trug einen weißen Pelz. Birgitta Roslin fühlte sich neben ihr beinahe beschämend schlecht gekleidet.
     
    Aber Hong Qiu bemerkte, dass sie sich warm angezogen hatte. »Unsere Gerichtssäle können kalt sein«, sagte sie. »Wie Ihre Theater?«
     
    Hong Qiu lächelte, als sie antwortete. Dass wir vor ein paar Tagen in der Oper waren, kann sie wohl trotz allem nicht wissen, dachte Birgitta Roslin. Oder doch? »China ist immer noch ein sehr armes Land. Wir nähern uns der Zukunft mit großer Demut und harter Arbeit.«
     
    Nicht alle sind arm, dachte Birgitta Roslin bissig. Sogar mein ungeübtes Auge kann erkennen, dass dein Pelz echt und sehr kostbar ist.
     
    Vor dem Hotel wartete ein Wagen mit Fahrer. Birgitta Roslin fühlte ein vages Unbehagen. Was wusste sie eigentlich von der fremden Frau, mit der sie jetzt in ein Auto stieg, hinter dessen Lenkrad ein unbekannter Mann saß?
     
    Sie sagte sich, dass keine Gefahr bestand. Warum konnte sie die Fürsorge, von der sie umgeben war, nicht schätzen? Hong Qiu saß mit halbgeschlossenen Augen schweigend in ihrer Ecke. Sie fuhren eine lange Straße entlang. Nach wenigen Minuten hatte Birgitta Roslin keine Ahnung mehr, wo in der Stadt sie sich befand.
     
    Sie hielten vor einem niedrigen Betongebäude an, dessen Eingang von zwei Polizisten bewacht wurde. Über der Eingangstür stand eine Reihe roter chinesischer Schriftzeichen. »Der Name des Amtsgerichts«, sagte Hong Qiu, die Birgittas Blick gefolgt war.
     
    Als sie die

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