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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gastlichen Seite kennen lernen.«
    Er stieß die neunte Klinge vor Vitus in den Boden. »Du erhältst deinen Degen zurück und darfst ihn während der Zeit eures Hierseins tragen, ebenso wie deine Freunde Waffen mit sich führen dürfen. Es ist das Zeichen freier Männer.«
    »Ich danke Euch, Häuptling Okumba.« Vitus verbeugte sich. »Da wäre noch etwas. Ich war im Besitz einer Muskete, die Dongo mir ebenfalls abnahm.«
    »Er wird sie dir zurückgeben.« Ein ärgerlicher Blick streifte den Mann mit den harten Augen. »Und nun entschuldigt mich. Moses, nimm Vitus und seinen Freunden die Fesseln ab und weise ihnen ein Quartier zu.«
    Als sie aus dem Haus traten, hörten sie von drinnen Okumbas tiefe Stimme: »Dongo, du bleibst hier.«
     
    Es war gegen Mittag des nächsten Tages, als der kleine Gelehrte brummelte: »Die Bemühungen unseres Freundes Moses in allen Ehren, aber meint ihr nicht auch, dass er ein wenig übertreibt? Er schleift uns nun schon seit Stunden durch das Dorf, hat uns jeden Quadratfuß der Maisfelder gezeigt, den Palisadenring zur Verteidigung erklärt, durch die Vorratskammern geführt, vom Brunnenwasser kosten lassen, mit zahllosen Familien bekannt gemacht, dazu mit einigen bemerkenswert hübschen Mädchen, hat uns, gleichsam als Kontrast, den Standort der allgemeinen Latrinen verraten und so weiter, und so weiter. Er wankt und weicht nicht von unserer Seite, eine englische Gouvernante ist nichts dagegen.«
    »Wui, wui, er is wie ’ne Klett im Flöhfänger.«
    Vitus beobachtete Moses, der sich ein paar Schritte von ihnen entfernt mit einem jungen Schwarzen unterhielt. »Moses hat offenkundig Anweisung, sich um uns zu kümmern. Okumba vertraut uns zwar, will aber wohl über alles, was wir tun, unterrichtet werden. Wenn du nicht mehr weiterkannst, altes Unkraut, sag Bescheid.«
    Der Magister blinzelte empört. »Natürlich kann ich noch, obwohl die Sonne vom Himmel sticht, als wolle sie alle Weißen aus dieser Gegend vertreiben.«
    »Dann ist es ja gut.«
    »Wenn der Wille da ist, sind die Füße leicht, wie euer englisches Sprichwort sagt. Im Übrigen meldet sich seit geraumer Zeit mein Magen. Bin gespannt, ob die Gastlichkeit der Cimarrones über ein paar Maisfladen hinausgeht.«
    »Ich hätte auch Hunger«, nickte Hewitt.
    Moses löste sich von dem jungen Mann und kam zu ihnen zurück. »Das war Kango«, erklärte er freundlich. »Ich wollte ihn euch vorstellen, aber er bat mich, es zu lassen.«
    »Nanu, sehen wir aus, als würden wir beißen?«, wunderte sich der kleine Gelehrte.
    Moses lachte. »Nein. Aber Kango muss heute Abend seine Mutprobe bestehen, um in den Kreis der Krieger aufgenommen zu werden. Da hat er natürlich anderes im Kopf. Kommt, wir gehen zu Okumbas Haus, dort wartet eine Mahlzeit auf uns. Oder soll ich euch vorher noch mehr vom Dorf zeigen?«
    »Da sei Gott vor!«, entfuhr es dem kleinen Mann. Und als Moses verständnislos guckte, setzte er eilig hinzu: »Der Christengott sieht es gern, wenn der Gläubige zur Mittagsstunde betet und Speise zu sich nimmt.«
     
    Im großen Raum von Okumbas Haus saßen der Häuptling und eine Reihe seiner Krieger mit gekreuzten Beinen am Boden. Vor ihnen hatte man große Bananenblätter ausgebreitet, auf denen sich die unterschiedlichsten Speisen befanden, Nahrungsmittel, die allesamt wenig verlockend aussahen. Das Einzige, was die Freunde erkannten, waren ein paar gelbe Maiskuchen.
    Okumba machte eine einladende Geste. »Setzt euch zu uns und lasst es euch schmecken. Normalerweise nehmen wir mittags nichts zu uns, aber dies ist ein besonderer Tag. Heute Abend findet die Mutprobe für einige unserer jungen Männer statt.«
    Die Freunde setzten sich zögernd. »Wir hörten davon«, sagte Vitus. »Um was für eine Mutprobe handelt es sich denn?«
    »Lasst euch überraschen. Ich habe entschieden, dass ihr daran teilnehmen dürft. Probiert mal dies.« Er gab Vitus ein Stückchen Fleisch in die Hand, knapp fingerlang und annähernd so dick. Die Form war wellig, das Äußere knusprig braun gebraten. Vitus führte es zum Mund und fragte: »Was ist es denn? Es duftet köstlich.«
    »Es ist eine Larve, die sich hier zu Lande gern durch Baumstämme frisst. Im lebenden Zustand ist sie weißlich und fett. Es ist mühsam, sie zu sammeln, wie unsere Frauen sagen, aber es lohnt sich, denn sie schmeckt köstlich.«
    Vitus war die zweifelhafte Delikatesse fast aus der Hand gefallen. Der Magister rettete die Situation, indem er rasch behauptete:

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