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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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mit weiteren Waren zu ihm schicken. Vorausgesetzt, du, Engländer, sagst die Wahrheit und er lebt.«
    Die beiden Alten an Okumbas Seite hatten sich unterdessen vorgebeugt und sprachen rasch auf ihn ein. Der Riese hörte aufmerksam zu. Als sie geendet hatten, sagte er: »Meine Beisitzer, Engländer, werden allmählich ungeduldig. Wir haben uns Meister Haffissis’ Stücke angesehen und können daran, abgesehen von der Kunstfertigkeit, mit der sie gemacht sind, nichts Ungewöhnliches entdecken. Wie also willst du eure Unschuld beweisen?«
    »Indem ich Euch bitte, die Inschriften zu lesen.«
    »Ich kann nicht lesen. Aber Moses kann es. Komm her, Moses, und sag uns, was auf den Klingen steht.«
    Der sprachgewandte Schwarze gehorchte umgehend, studierte nacheinander die Buchstaben in den verschiedenen Stählen und erklärte dann: »Auf allen Stücken steht nur die eine Zeile:
Haffissis me fecit
und die dazugehörige Jahreszahl.
Haffissis me fecit
bedeutet: Haffissis hat mich gemacht.«
    Okumba nickte. »Und was willst du nun daraus ableiten, Engländer?«
    »Steht da nicht auch …?« In Vitus’ Kopf arbeitete es fieberhaft. Dann hatte er begriffen. Sein Blick wanderte zu Dongo, der unbeteiligt in die Luft starrte. »Verzeiht, Häuptling Okumba, es handelt sich hier um ein Versehen. Vor Euch liegen acht Klingen, aber es waren insgesamt neun, die Eure Männer uns im Urwald abnahmen. Ich vermute, dass Dongo die neunte Klinge unabsichtlich irgendwo liegen ließ.«
    Der Häuptling runzelte die Brauen. »Soso. Stimmt das, Dongo?«
    Dongo wurde sichtlich verlegen.
    Und dann ging alles sehr schnell. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung stand Okumba auf den Füßen, packte Dongo und hob ihn wie ein Spielzeug hoch. »Bring uns sofort die neunte Klinge«, sagte er ruhig. In seiner Stimme lag nicht die kleinste Spur von Anstrengung, obwohl Dongo ein stattlicher Bursche war.
    Der Zwerg wisperte: »Wui, wui, der Schwarzmann is ’n Protz wie Ambrosius, unser Kuttenhans, Gott hab ihn fitz.«
    »Pssst«, machte Vitus zwischen den Zähnen.
    Trotz der Warnung murmelte der kleine Gelehrte: »Der Gnom hat Recht, mit Okumba ist nicht gut Kirschen essen. Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    Der Angesprochene hatte sich inzwischen wieder auf den Boden gesetzt und wartete mit den beiden Alten auf Dongos Rückkehr. Als dieser kurz darauf abermals den Raum betrat, streckte er ohne ein Wort die Rechte aus.
    Dongo beeilte sich, Okumba die Klinge auszuhändigen. Während der Häuptling sie eingehend betrachtete, brach es aus Vitus heraus: »Dem Allmächtigen sei Dank! Es ist tatsächlich der Degen, den Haff mir geschenkt hat. Jetzt kommt’s drauf an.«
    Okumba achtete nicht auf Vitus’ Worte, sondern winkte Moses heran. »Lies, was darauf steht, es sind mehr Buchstaben als auf den anderen Klingen. Was bedeuten sie?«
    Moses hielt den Stahl ins Licht und entzifferte mit einiger Mühe:
»For my good friend Vitus.«
    »Für meinen guten Freund Vitus«, nickte Okumba nachdenklich. »Es ist also Englisch. Und das andere? Was bedeutet das?«
    »Das Übliche in Latein:
Haffissis me fecit Anno Domini 1578.«
Vitus fiel ein Stein vom Herzen. »Da seht Ihr es selbst, Häuptling, dieser Degen ist ein persönliches Geschenk von Haff an mich. Glaubt Ihr, er würde eine solche Kostbarkeit für einen Feind schmieden?«
    Der riesige Schwarze schürzte die Lippen. Dann wandte er sich seinen beiden Mitrichtern zu, um sich mit ihnen auszutauschen. Er sprach auf sie ein. Sie hörten zu. Redeten lebhaft mit den Händen. Rollten mit den Augen. Zuckten mit den Schultern. Und nickten endlich gemeinsam. Okumba räusperte sich: »Du kannst dich glücklich schätzen, Engländer. Wir glauben, dass du die Wahrheit gesagt hast. Ihr seid keine marodierenden Dons.«
    Er bedeutete Dongo, die anderen Klingen wieder einzupacken. »Du musst wissen, wir Cimarrones hassen die Spanier mehr als die Pest, obwohl wir uns in ihrer Sprache verständigen. Es ist die Sprache, die uns verbindet, nur das ist der Grund. Und es ist auch der Grund, warum ich diese hassenswerten Laute in wenigen Monaten erlernt habe. Wir jagen die Spanier, und sie jagen uns. Sie töten uns, und wir töten sie, egal, wo wir ihrer habhaft werden, denn sie rauben unseren schwarzen Brüdern und Schwestern auf den Inseln die Freiheit, die Würde und das Leben. Sie zwingen sie unter ihre Knute, sie schänden ihre Frauen. Doch ihr seid nicht von dieser Sorte, und deshalb werdet ihr die Cimarrones von ihrer

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