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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vergleichsweise hell erleuchtet, denn an ihrem Rand stand alle zwei Schritte eine Fackel. »Hier wird es sein«, bemerkte Okumba und stellte sich, wie alle anderen Krieger auch, an die Brüstung. »Seid ihr bereit?«, wandte er sich an die Jünglinge.
    »Wir sind es«, antworteten sie.
    »Gut. Ihr seid zusammen sechs. Es wird zwei Kämpfe geben. Habt ihr schon überlegt, wer mit wem eine Gruppe bildet?«
    »Ja, Okumba.«
    »Seid ihr euch einig, welche Gruppe beginnt?«
    »Ja, Okumba.« Es war Kango, der sprach. »Unsere Gruppe beginnt, wenn du einverstanden bist.«
    »Natürlich.« Die Stimme des Riesen klang unbeteiligt. Offenbar wollte er den Jünglingen in keiner Form, nicht einmal durch ein aufmunterndes Wort, Hilfe geben. »Nehmt eure Speere und betretet den Kreis.«
    Kango und zwei andere junge Männer kletterten über die Brüstung auf den Kampfplatz. Sie stellten sich in der Mitte auf und rammten die Speere in den Boden.
    »Gut.« Okumba richtete sich zu seiner vollen Höhe auf. Im Schein der Fackeln hatte seine Erscheinung etwas Gespenstisches.
    »Cimarrones!
    Mit dem Hahnenopfer haben wir den Schutzgeist
Ewe wudu
milde gestimmt, damit er uns Kriegsglück gegen die Spanier schenkt. Verflucht seien sie!
    Aber wir haben
Ewe wudu
nicht nur dafür geopfert.
    Wir bitten ihn auch, dass er unseren jungen Kämpfern bei der Mutprobe den Arm stärkt.
    Denn starke Arme werden sie brauchen.
    Wir haben zwei Gruppen zu je drei Mann gebildet.
    Beide Gruppen treten gegen ein wildes Tier an.
    Sie wissen nicht, gegen welches.
    Das Tier muss getötet werden. Erst wenn es tot ist, ist die Probe bestanden.
    Und nun, Cimarrones, erfleht nochmals den Beistand von
Ewe wudu
oder auch dem Christengott, an wen immer ihr glaubt …
    Für unsere angehenden Krieger!«
    Okumba schwieg und senkte den Kopf. Er selbst schien auch zu beten und sich zu sammeln. Dann, unvermittelt, hob er die Arme und rief: »Die Mutprobe möge beginnen!«
    Ein Raunen ging durch die dicht gedrängt an der Brüstung stehenden Krieger. Durch das unruhige Fackellicht wirkte die Vielzahl ihrer Körper wie ein einziger schwarzer wabernder Block. Rufe wurden laut. Anfeuerungen waren zu hören. Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft. Die drei Kämpfer in der Mitte des Platzes hatten sich bis jetzt nicht gerührt, doch als nun auf der gegenüberliegenden Seite die Absperrung geöffnet und ein zwanzig Fuß langer, flacher Käfig hereingeschoben wurde, kam Leben in sie. Sie ergriffen ihre Speere und sprangen zurück.
    Ein junger Mann, fast noch ein Knabe, erschien wie aus dem Nichts, lief leichtfüßig über die Gitterstäbe des Käfigdachs zur Stirnseite und riss die dort befindliche Tür nach oben heraus. Kaum hatte er das getan, eilte er an das Käfigende zurück und ergriff einen von außen herangereichten Speer. Noch immer auf dem Dach stehend, senkte er die Waffe geradewegs durch die Stäbe, schien Maß zu nehmen und stieß endlich mit aller Kraft die Spitze nach unten.
    Einen Wimpernschlag später war ein gewaltiges Zischen zu hören, der Käfig schien Beine zu bekommen, bewegte sich nach vorn, und an seiner Stirnseite schoss schlängelnd ein Krokodil heraus.
    Ein Stöhnen ging durch die Zuschauer.
    Die drei angehenden Krieger sprangen einen weiteren Schritt zurück, fast an die Brüstung heran, denn die Panzerechse war groß, erschreckend groß. Sie maß gut fünfzehn Fuß in der Länge, und ihr mit verknöcherten Hornplatten bewehrter Körper nahm einen Großteil des Kampfplatzes ein.
    Der Käfig wurde von unsichtbaren Händen zurückgezogen und verschwand durch das Loch in der Absperrung.
    Kein Laut war zu hören. Das Reptil verharrte regungslos, als wäre es aus Stein. Nicht der kleinste Funke Leben schien in den aufgesetzten Augen zu wohnen. Die Jünglinge standen in gespannter Haltung da, den Speer bereit zum Stoß. Von außen wurde ein Netz über die Brüstung geschleudert und blieb zwischen ihnen und der Echse liegen. Irgendeine Stimme rief: »Holt es euch!«
    Das Krokodil ständig beobachtend, rückten die Jünglinge zusammen. Sie schienen zu beratschlagen, wie sie ohne Gefahr an das Netz herankommen konnten.
    In die Stille hinein meldete sich der Zwerg: »Ich späh nix.« Seine Stimme klang quengelig. Er war der Einzige, der nicht über die Brüstung sehen konnte. Ohne ein Wort zu verlieren, griff Vitus zu und hob ihn sich auf die Schultern.
    »Wui, gramersi, knäbbig, knäbbig, ich späh …« Doch als er des Ungeheuers angesichtig wurde, verschlug

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