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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Richtung er sich orientieren musste, wenn er zum Ausgang wollte. Er drehte sich um – und spürte eine Hand auf seinem Arm. »Achille?«, fragte er in die Schwärze des Raums.
    Statt einer Antwort drückte die Hand seinen Arm und schob ihn in die andere Richtung.
    »Was soll das, Achille?«
    Sanft, aber nachdrücklich wurde er fortgezogen.
    »Du bist nicht Achille, wer bist du?« Er tastete nach der unbekannten Gestalt und bekam ein Stück Stoff in die Hand. Es fühlte sich an wie grobes Leinen, und plötzlich wusste er, wen er vor sich hatte: Es war die Schankmagd. »Louise, du bist es, nicht wahr?«
    Unterdessen war er ein paar Schritte mitgegangen. Louise schien sich blindlings im Innersten von L’Escargot auszukennen, denn zielstrebig zog sie ihn weiter, öffnete eine knarrende Tür, an deren Schmalseite er sich fast die Stirn aufgeschlagen hätte, schlüpfte in den dahinter liegenden Raum oder das, was Vitus dafür hielt, und blieb kurz darauf stehen. Noch immer umklammerte sie seinen Arm. Er spürte Unsicherheit, fühlte sich aber keineswegs unwohl dabei. »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er laut. »Ach so, du kannst mir ja keine Antwort geben. Nun, es ist nicht ganz leicht zu erraten, was du willst. Kann ich dir irgendwie helfen?«
    Noch immer hielt sie seinen Arm fest, und er wollte sich befreien. Es gelang nicht. Er versuchte einen Scherz: »Wenn dir mein Arm so wichtig ist, bitte, tun wir einfach so, als wäre es deiner.« Während er das sagte, bemühte er sich, wenigstens ihre Umrisse zu erkennen, doch nicht einmal das war möglich. Ob der Raum, in dem sie sich befanden, ihre Schlafkammer war? Wenn das den Tatsachen entsprach, war er hier fehl am Platze! Louise war zwar nur eine Magd, aber als Mann hatte er hier nichts zu suchen …
    Er räusperte sich, um ihr die Situation klar zu machen, als sie plötzlich seine Hand an ihr verhülltes Gesicht legte. Er fühlte, wie sie ihre Wange dagegen presste. Gleichzeitig begann sie – zu seinem ungeheuren Erschrecken – mit den Schultern zu zucken und zu weinen. Es war das Weinen einer ganz normalen Frau, wie er verwundert feststellte. Andererseits: Wenn eine Stumme atmen konnte, warum sollte sie dann nicht schluchzen können? Er fühlte, wie seine Verwirrung wuchs. Noch immer presste sie seine Hand an ihr Gesicht, und er hörte sich sagen: »Komm, komm, Louise, nicht weinen. So schlimm wird’s schon nicht sein.«
    Ihr Weinen wurde stärker.
    Er schalt sich ob seiner dummen Worte. Woher wollte er wissen, dass es bei ihr »schon nicht so schlimm« war? Was wusste er denn von ihr und ihrem Schicksal? Nichts, gar nichts. Nur, dass ihr Gesicht wahrscheinlich so entstellt war, dass sie es niemandem zu zeigen wagte. »Verzeih mir«, hörte er sich stammeln. »Ich rede … Ich rede dummes Zeug, nicht wahr? Bitte …«
    Sie weinte weiter.
    »So komm doch!« Er umfasste ihre Schultern mit der anderen Hand und zog sie an sich. Er kam sich dabei grenzenlos linkisch vor, besonders, als sie plötzlich seinen Arm losließ und ihren Kopf an seine Brust legte. Sie umfasste ihn dabei mit bemerkenswerter Kraft, gerade so, als wolle sie ihn nie wieder loslassen.
    Ihr Weinen hörte auf.
    »Nun geht es besser, nicht wahr? Ist ja gut, ist ja gut.« Seine Stimme war vor Anspannung heiser. Ihm fiel ein, dass er jetzt gehen musste, aber er hatte die Orientierung verloren, außerdem ertappte er sich bei dem Gedanken, dass es ein angenehmes Gefühl war, Louise in seinen Armen zu halten. Ein sehr angenehmes Gefühl sogar. Er spürte, wie sein Glied hart wurde, und erstarrte vor Peinlichkeit. Rasch zog er den Unterkörper zurück.
    Sie drängte mit ihrem Körper nach.
    Durch ihren Umhang konnte er die Festigkeit ihrer Brüste und die Rundung ihres Schamhügels fühlen. Seine Erektion wuchs. Großer Gott, was bahnte sich hier an! Er wollte sich befreien und versuchte, ihren Kopf von seiner Schulter zu drücken. »Bring mich nach draußen«, krächzte er.
    Abermals schluchzte sie auf. Diesmal schien es, als hätten sich alle Tore ihrer Trauer geöffnet, so hemmungslos brach es aus ihr hervor. Gleichzeitig begann sie, ihn durch den Stoff ihres Umhangs zu küssen. Sie schluchzte und küsste ihn und küsste weiter und schluchzte und klagte und keuchte und küsste … Und während der ganzen Zeit klammerte sie sich an ihn wie eine Ertrinkende.
    Er wusste nicht, wie es passiert war, aber unverhofft lag er mit ihr auf dem Boden, unter sich raschelndes Stroh. Ihm war klar, dass es

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