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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ja, ja.« Francisca sammelte sich. »Mutter, ich möchte dem Kind einen christlichen Namen geben, weiß aber nicht, welchen. Und Jaime, du weißt ja, Jaime, mein Ehemann, du hast ihn nicht lange gekannt, denn du warst schon krank, als wir heirateten, weißt du noch, Mutter, du littest an der fortschreitenden …«
    »Madame!« Wieder war es Arielle, die sich einmischte. »Denkt, ähhh, an die Zeit!«
    Die Orchideenhändlerin schluckte. Sie wandte sich in die Richtung, aus der Arielles Stimme erklungen war: »Aber wie soll ich wissen, ob Mutter mit einem Namen einverstanden ist, wenn sie nicht antwortet?«
    »Wartet auf ein Zeichen, Madame, wartet auf ein Zeichen, dann Ihr es werdet wissen.«
    Francisca blickte zweifelnd, dann versuchte sie es nochmals: »Simon? Wie findest du Simon, Mutter?«
    Franciscas Mutter schwieg beharrlich.
    »Und was sagst du zu Paulus, Mutter?«
    Keine Antwort.
    Vitus wunderte sich hinter seinem Vorhang. Daran, dass der Nachwuchs auch ein Mädchen sein konnte, schien die Schwangere keinen Gedanken zu verschwenden.
    »Petrus?«
    Als wiederum keine Reaktion erfolgte, wurde Francisca nervös. Sie haspelte eine Reihe alttestamentarischer Namen herunter: »Moses? Abraham? Isaak? Jakob?«
    Nichts.
    Arielle mahnte: »Ahhh, die Zeit, die Zeit, denkt an die Zeit, Madame.« Wahrscheinlich fürchtete sie, die Fackeln könnten vorzeitig ausgehen.
    Francisca wurde zusehends unruhiger. Sie überlegte fieberhaft. Plötzlich schoss es aus ihr heraus: »Jesus! Nicht wahr, Mutter? Jesus! Gegen den Namen des Sohnes unseres Herrn wirst du gewiss nichts einzuwenden haben, oder?«
    Die alte Indianerfrau schüttelte den Kopf.
    »Oh, Mutter, du machst es mir wirklich schwer!« Hilflos blickte Francisca sich nach Madame Arielle um, doch der Raum war so schwarz wie eine Höhle in mondloser Nacht. Er schien die Wahrsagerin verschluckt zu haben. Einzig die Mutter sah streng herüber. Ihr Antlitz war zeitweise nur wie durch einen Schleier erkennbar. »Ach, dass du nicht zu mir sprechen kannst wie Jaime, mein guter Mann, Mutter! Oh, Mutter, er ist ein so braver Mann; er trinkt nicht, er hurt nicht, er geht nicht ins Wirtshaus, aber er ist eben auch nur ein Mann. Wenn ich ihn nach einem Namen für seinen Sohn fragte, ihm würde wohl kein anderer einfallen als sein eigener …«
    Francisca unterbrach sich, denn genau in diesem Augenblick hatte das Gesicht ihr gegenüber genickt.
    »Mutter? Mutter, du meinst …?«
    Der Kopf schien sich auf und nieder zu bewegen. Mit einiger Phantasie war ein Nicken daraus zu erkennen.
    »Jaime? Du meinst Jaime, Mutter?« Francisca klatschte in die Hände. »Oh, Mutter, ja! Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin! Ich weiß, ich könnte Jaime keine größere Freude machen, als seinen Sohn nach ihm zu benennen.«
    »
Voilà
, ich kann nicht mir denken eine bessere Namen,
n’est-ce pas
?«, ließ Madame Arielle sich vernehmen, bevor sie lauter hinzufügte: »Es ist gut!« Sie schritt zu dem Öllämpchen und entzündete es mit Stahl und Stein. Die Flamme im Docht wuchs, und im gleichen Maße, wie das Lämpchen heller wurde, verschwand die Erscheinung aus dem Jenseits. Francisca starrte wie gebannt auf das verlöschende Gesicht und bekreuzigte sich zum wiederholten Mal. »Gottvater, Du Allmächtiger, ich danke Dir …«
    »Ahhh, Dank ist gut, Madame«, unterbrach Arielle, »Dank, ähhh, wem Dank gebührt, und Ihr schuldet eine Dublone und einen Escudillo mir.« Sie ergriff die Frau des Plankensägers und dirigierte sie zum Schneckengang. »Ihr mir könnt geben das Geld draußen,
n’est-ce pas
? Kommt, Madame – und beste
compliments
an Euren Gatten.«
    Die beiden verschwanden, und ehe er sich’s versah, war Vitus allein. Er trat mit einiger Mühe aus den Falten des Vorhangs heraus, wohl wissend, dass alles, was er soeben gesehen hatte, nichts anderes als Illusion gewesen war. Dennoch konnte er sich nicht frei machen von der mystischen Atmosphäre, die noch immer in dem seltsamen Doppelraum herrschte.
    Und schon wieder wurde es dunkel um ihn! Als er sich forschend umblickte, erkannte er, dass die Flamme kurz vor dem Verlöschen stand. Er trat hinzu und untersuchte das Lämpchen. Nun ja, alles hatte seine einfache Erklärung: Der Ölvorrat war zur Neige gegangen. Ihm fiel ein, dass es besser sein würde, das restliche Licht für den Rückweg auszunutzen, und er versuchte, das Lämpchen von der Wand zu nehmen.
    Er nahm es ab, und es ging aus.
    Dunkelheit umfing ihn. Er wusste, in welche

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