Der Chirurg von Campodios
einen Punkt gab, von dem an es höllisch schwer für einen Mann war, der Fleischeslust zu widerstehen, aber dass es so schwer sein würde, hatte er nicht gedacht.
Er erwiderte ihre Umarmung, drückte sie ungestüm, spürte ihren elastischen, jungen Körper unter sich. Kaum nahm er wahr, wie sie ihm aus den Kleidern half, doch als es geschehen war und er ihr den Umhang über den Kopf streifen wollte, hielt sie ihn zurück. Nicht einmal in absoluter Dunkelheit wollte sie ihr Gesicht für ihn enthüllen.
»Wie immer du auch aussehen magst«, flüsterte er, »ich weiß, dass du schön bist.« Er spürte, wie sie den Kopf schüttelte und sich erneut an ihn drängte. Jetzt geschah das, was sie eben noch hatte vermeiden wollen: Ihr Umhang rutschte hoch. Er wurde gewahr, dass sie nichts darunter trug. Seine suchende Hand glitt über ihren Schoß, verweilte dort, liebkoste die knisternden Härchen, wanderte weiter über ihren flachen Bauch nach oben, umfasste ihre festen Brüste, drückte sie zart, streichelte die hart gewordenen Spitzen, wollte zum Gesicht hochwandern – und wurde abermals gehindert. Für einen kurzen Augenblick war er ernüchtert, doch die Glut, mit der sie ihm gleich darauf ihren Schoß entgegenhob, ließ ihn alles vergessen.
»Ich weiß, dass du schön bist«, wiederholte er heiser, als er den Weg in ihre Pforte fand. »Ich weiß, dass du schön bist, ich weiß, dass du schön bist, ohhh, wie ich es weiß …« Und mit jedem dieser Sätze drang er tiefer in sie ein. Wellen der Lust durchfluteten ihn, während er sich auf und ab in ihr bewegte. Sie raubten ihm die Sinne und ließen ihn nicht daran denken, in welch seltsamer Lage er sich befand. Er war dabei, eine Frau zu lieben, deren Gesicht er nicht kannte, deren Wesen ihm verborgen war, deren Körper er niemals zuvor gesehen hatte – und dennoch kam es ihm vor, als sei sie die schönste Frau der Welt. Es war Ewigkeiten her, dass er bei einer Frau gelegen hatte, viel zu lange, viel zu lange …
Louise schien eins mit ihm geworden zu sein. Sie war ein Teil von ihm; er war ein Teil von ihr. Sie umfing ihn, nahm ihn gänzlich auf, gab ihn frei, nahm ihn abermals auf und wiegte sich im Rhythmus ihrer Leidenschaft. Er wunderte sich über die Kraft, ja Unbeherrschtheit, mit der sie sich ihm hingab.
Dann, übergangslos, begann sie wieder unter ihrem Gewand zu schluchzen, laut und hemmungslos. Er achtete nicht darauf. Er achtete auf überhaupt nichts mehr. Seine Hände hielten ihre Schultern, kneteten sie unbewusst, seine Lippen suchten ihren Mund – und fanden doch nur nass geweinten Stoff. Er fuhr fort, die Tiefe ihres Schoßes zu ergründen, hob und senkte sich in ihr. Hob und senkte sich … Allmächtiger, lass diesen Augenblick niemals vorübergehen! Doch schon merkte er, dass er nicht länger an sich halten konnte. Er hörte den heiseren Schrei eines Mannes und merkte kaum, dass er selbst der Urheber war. Wieder schrie er auf. Der Augenblick der Explosion war da. Während er die Bewegungen weiter ausführte, ernüchtert wie alle Männer zu diesem Zeitpunkt, war da plötzlich ein anderer Schrei, wild, verlangend, verzweifelt, und er hielt inne.
Es war Louises Antwort.
Die Heilerin Marou
»Nanu, du willst schwanger werden? Warum?
Vielleicht bist du es am Ende schon?«
E s war am späten Vormittag des darauf folgenden Tages, als Louise sich behutsam ihrer Schlafkammer näherte. Sie war in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, lautlos wie eine Katze, denn neben ihr hatte Vitus noch tief und fest geschlafen. Seine Stirn, die er so häufig in Falten legte, war völlig entspannt gewesen. Angesichts seiner wirren blonden Locken hatte sie lächeln müssen und fast unhörbar gesagt: »Ich liebe dich, Vitus. Nur Gott der Allmächtige weiß, wie sehr ich dich liebe.« Dann waren ihr schon wieder die Tränen in die Augen getreten, und sie hatte sich für ihre ewige Heulerei gescholten. Die Zeit des Weinens, das war ihr fester Wille, sollte ein für alle Mal vorbei sein. »Vielleicht wird doch noch alles gut.«
Sie hatte den Raum verlassen und wie gewöhnlich ihr Tagewerk im Escargot begonnen. Achille, der sonst eine Seele von Mensch war, schätzte es nicht, wenn Arbeit, gleich welcher Art, liegen blieb.
Jetzt erst, nachdem sie die wichtigsten Tätigkeiten erledigt hatte, fand sie Zeit für das, was sie sich noch in der Nacht vorgenommen hatte. Zoll für Zoll öffnete sie die Kammertür. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, denn für den Fall, dass
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