Der Chirurg von Campodios
Ich kann nur sagen: Jede reichhaltige zusätzliche Mahlzeit wird die Schwarzen früher auf die Beine bringen. Im Übrigen wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr die Mittel für die Beschaffung weiterer Molke und anderer Arzneien aufbringen könntet.«
»Kosten, Kosten, Kosten!«, stöhnte Sanceur. »Wo man geht und steht, verfolgen sie einen.« Seine Laune sank weiter. »Es scheint, das ganze Leben besteht nur noch aus Kosten!«
Vitus zuckte mit den Schultern. Es war eine altbekannte Tatsache, dass diejenigen, die am meisten hatten, auch am meisten stöhnten.
»Aber ich will nicht kleinlich sein.« Sanceur nahm sich zusammen. Er dachte an den stattlichen Gewinn, den er in Bälde – trotz fehlender Zähne – durch den Verkauf der Sklaven einstreichen würde, und tröstete sich damit, dass die Summe für ein paar Medikamente dagegen vergleichsweise klein war. »Besorgt nur, was Ihr braucht, ich erstatte Euch Eure Auslagen.«
»Ich danke Euch, Monsieur.«
»Ach, ich hätte da auch noch etwas.« Sanceur war der Gast, den er am Abend erwartete, eingefallen. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber immerhin möglich, dass in der Nacht noch weitere Sklaven geliefert werden. Und zwar von einem Pir … ahem, von einem Kapitän. Darf ich in diesem Fall, Docteur, noch einmal Eure Hilfsbereitschaft in Anspruch nehmen?«
»Nun, ich …«
»Euer Urteil über den Gesundheitszustand der Ware ist mir außerordentlich wichtig. Ich würde mich gegebenenfalls auch erkenntlich zeigen.«
»Nun, das wird nicht nötig sein, Monsieur. Wenn ich helfen kann, helfe ich gern. Ich muss aber darauf hinweisen, dass die Unterkunft für weitere Gefangene zu eng ist. Die Gesundheit der Sklaven, von der Ihr gerade selber spracht, kann unter diesen Umständen keinesfalls …«
»Ach was!« Sanceur unterbrach schärfer, als er eigentlich beabsichtigt hatte. »Wart Ihr schon einmal auf einem Sklavenfahrer, Monsieur Docteur? Wahrscheinlich nicht. Dann wisst Ihr auch nicht, was Enge ist. Glaubt mir, im Gegensatz dazu haben die Sklaven bei mir den Himmel auf Erden.«
Vitus schluckte eine heftige Entgegnung herunter. »Wie Ihr meint, Monsieur.«
»Nichts für ungut, Docteur. Ich kann doch auf Euch zählen?«
»Jawohl, Monsieur, ich werde heute Abend noch einmal vorbeikommen.«
»Ich bin Euch sehr verbunden.« Der Sklavenhändler wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu und gab damit zu verstehen, dass er die Unterredung als beendet ansah.
»
Au revoir
, Monsieur.«
»
Au revoir
, Docteur.« Sanceur schüttelte unmerklich den Kopf, als Vitus von Campodios, dieser weltfremde Träumer, den Raum verließ. Der Docteur war zweifellos tüchtig, aber auch ein wenig zart besaitet.
Er würde es nie zu etwas bringen.
Es war schon Nacht, als Vitus mit seinen Freunden Sanceurs Haus erreichte. Warmes Licht leuchtete ihnen aus den Rundbogenfenstern entgegen, und köstlicher Bratenduft stieg ihnen in die Nase. Im Anbau dagegen herrschte völlige Dunkelheit. Vitus hielt eine der mitgebrachten Kerzen in die Höhe und erkannte mit Mühe die Gefangenen, deren schwarze Körper sich kaum von der Dunkelheit im Raum abhoben. Die Sklaven schienen sämtlich zu schlafen, was Vitus mit Befriedigung feststellte, denn Schlaf, tiefer Schlaf, war eine der besten Arzneien zur Genesung. Plötzlich stockte er, denn er hatte ein Geräusch gehört. »Bist du das, Manolo?« Seine Hand fuhr vorsorglich zu Haffs Degen.
»Ja.« Ein Öllämpchen schob sich um die Ecke. Dann wurde der dazugehörige Mann sichtbar. Es war Manolo. Der Aufseher war klein und dicklich, mit fettigem Haar und einem Gesicht, das trotz seines fortgeschrittenen Alters mit zahlreichen Pickeln übersät war. »
Buenas noches
, Cirurgicus. Ihr hier?«
»Ganz recht. Señor Sanceur bat mich, noch einmal vorbeizuschauen. Er sagte mir, es sei möglich, dass noch Sklaven angeliefert würden. Wenn das so ist, will ich sie untersuchen.«
»Sklaven, was für Sklaven?«
Der Magister antwortete für Vitus: »Dein Herr hat noch Besuch bekommen, mein Lieber, einen Gast, der womöglich ›menschliche Ware‹ mit sich führt.«
»Ach, deshalb musst ich noch mal in die Küche.« Manolo kratzte sich die Bauchstelle zwischen Hose und Hemd. Der große Schlüsselbund an seinem Gürtel klirrte. »Sollt unbedingt noch eine Lammkeule auf den Spieß bringen, und der Herr wollt mir nicht sagen, warum. Als hätt ich nicht genug zu tun! Ist in letzter Zeit so komisch, der Herr. Weiß auch nicht, was mit ihm los ist.«
Vitus kam
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