Der Chirurg von Campodios
eine Idee. Vielleicht war es leichter, die Sklaven zu befreien, als er gedacht hatte. »Eigentlich sollte ich es dir nicht sagen, aber Señor Sanceur ist höchst unzufrieden mit dir. Er meint, du bist dein Geld nicht wert.«
»Was?« Manolos Kopf schoss vor. »Ich hör wohl nicht recht! Ich arbeit von früh bis spät.« Und wie um diese Behauptung zu untermauern, wiederholte er: »Von früh bis spät arbeit ich! Tausend Sachen mach ich! Wollt ihr wissen, welche, Cirurgicus?«
Bevor Vitus antworten konnte, begann der Aufseher sein Tagewerk in allen Einzelheiten aufzuzählen. Es dauerte eine geraume Weile, und als er schließlich fertig war, rief er empört: »Und wisst Ihr, was ich für die ganze Arbeit bekomm? Ich sag’s Euch: Nur ein paar lächerliche Maravedis!«
»Ich fürchte, selbst die bekommst du in Zukunft nicht mehr. Señor Sanceur hätte dich schon heute Abend vor die Tür gesetzt, wenn er dich nicht noch zur Zubereitung des Bratens gebraucht hätte.« Vitus fand seine Idee immer besser.
»So eine Gemeinheit!« Manolo zitterte vor Empörung. Der Schlüsselbund klirrte. »Ich werd um meinen Lohn kämpfen! Mit allen Mitteln!«
Der Magister fragte sanft: »Und was sind das für Mittel, mein Lieber? Bedenke, dass Sanceur ein einflussreicher Mann ist, mit besten Beziehungen zum Gouverneur, ein Mann, der sich die teuersten Advokaten leisten kann!«
»Ja, ich weiß, ich weiß!«, knirschte Manolo, dessen Wut bereits zu verrauchen begann. »Es ist immer dasselbe: Die Großen machen, was sie wollen, und die Kleinen fassen in die Scheiße!«
Vitus blickte vorwurfsvoll.
»Oh, Verzeihung, Cirurgicus, ich wollt nur sagen, es ist eine große Schweinerei, immer zieht der kleine Mann den Kürzeren!«
»Ich kann dich gut verstehen. Aber wusstest du, dass es mir genauso ergeht? Ich behandele Sanceurs Sklaven schon seit geraumer Zeit, wie du weißt, und was glaubst du, habe ich von deinem Herrn dafür bekommen? Nicht einen müden Real!«
Manolo konnte es nicht fassen. Immerhin war der Cirurgicus ein Mitglied der Gesellschaft. Ein studierter Mann, dem sein Herr mit Achtung gegenübertrat.
»Aber ich werde mich rächen. Wenn dein Herr schon glaubt, mich nicht entlohnen zu müssen, werde ich dafür sorgen, dass er anderweitig zahlen muss. Meine Freunde und ich, wir werden sämtliche Sklaven freilassen, noch heute Nacht. Sie stellen einen hohen Wert dar, und der Verlust wird Sanceur empfindlich treffen.«
»Ja, aber …« Nur langsam erfasste Manolo die ganze Tragweite des Plans.
»Du könntest uns helfen, indem du die Ketten aufschließt. Dann hättest auch du deine Rache.«
Manolo schüttelte langsam, aber nachdrücklich den Kopf. »Mit Verlaub: nein, Cirurgicus. Viel zu gefährlich. Was meint Ihr, was in Habana los ist, wenn so viele Sklaven auf einmal frei rumlaufen! Man tät sie jagen wie die Hasen, und innerhalb von drei Tagen hätt man sie wieder eingelocht. Man wird sie schlagen und quälen, bis man weiß, wie sie entwischt sind. Und dann gnade uns Gott!«
»Du irrst. Die Sklaven werden nicht wieder eingefangen, weil wir dafür sorgen, dass sie mit dem Schiff übers Meer flüchten können.«
»Was? Mit dem Schiff übers Meer?« Manolo biss sich auf die Unterlippe und kratzte sich gleichzeitig die Bauchstelle. Er war jetzt sehr nervös. »Trotzdem, ich weiß nicht …«
»Der Schiffer ist ein zuverlässiger Mann. Er wird die Gefangenen sicher zu den Cimarrones bringen.« Vitus beschloss, den Namen O’Tuft zu verschweigen. Was Manolo nicht wusste, konnte man später auch nicht aus ihm herausfoltern.
»Zu den Cimarrones? Hm, hm …« Angst und Rachsucht fochten einen Kampf in Manolos Hirn.
Der Magister wurde ungeduldig. »Manolo, mein Lieber, die Nacht ist kurz! Wenn du dich nicht entscheiden willst, können wir auch so tun, als wärst du niedergeschlagen worden. Dann kann dir später niemand was anhängen.«
»Ja? Ach so, hm. Ja, das ist gut! Und wie wollt Ihr das machen?«
»Ganz einfach.« Der kleine Gelehrte nahm eine der herabgefallenen Dachlatten vom Boden auf und zog sie dem Unentschlossenen über den Kopf. »So!«
Manolo fiel um wie ein Sack Zwiebeln. Sein Schlüsselbund klirrte. Rasch bückte sich Vitus und nahm das Öllämpchen vom Boden auf. Es war dem Zauderer aus der Hand gefallen und drohte das Stroh zu entzünden. »Musstest du so grob sein, Magister? Komm, halt mir mal die Lampe, du Schlagetot.«
»Besser so als gar keine Schlüssel«, gab der kleine Gelehrte zurück.
»Wir haben
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