Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
mich nur, mein Kind, deine Rose kann mich nicht schrecken. Sag, du glaubst doch daran, dass sie verschwindet?«
    »Ja, felsenfest, liebe Marou.«
    »Dann wird deine Haut in drei Tagen wieder wie ein Pfirsich sein.«

Der Sklavenhändler Sanceur
    »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber immerhin möglich, dass in der Nacht noch weitere Sklaven geliefert werden. Und zwar von einem Pir … ahem, von einem Kapitän. Darf ich in diesem Fall, Docteur, noch einmal Eure Hilfsbereitschaft in Anspruch nehmen?«
     
    A m südlichsten Punkt des Hafens, dort, wo die Anleger weit in die Bahía de la Habana hinausragten, hatte der Sklavenhändler Michel Sanceur sein Haus. Es war ein schönes Haus, groß, weiß gekalkt und Stein auf Stein gebaut, mit halbrunden Fenstern und drei schmalen, blumenbewachsenen Balkonen zur Wasserseite.
    Sanceur hatte das Anwesen vor Jahren gekauft, nicht weil es so ansehnlich war, sondern weil es praktisch lag – in unmittelbarer Nähe der Mole, an der die meisten Sklavenschiffe aus Guinea festmachten. Sanceur hatte wenig Sinn für Farben und Formen und noch weniger für die Schönheiten der Natur, es sei denn, es handelte sich um prachtvolles ebenholzschwarzes Menschenmaterial, um Sklaven, die einen guten Preis einbrachten. Für Sanceur zählte nur bare Münze. Und am liebsten war es ihm, wenn er darüber peinlich genau Buch führen konnte.
    So wie jetzt. Er saß in seinem Kontor an einem großen, mit Elfenbein-Intarsien verzierten Tisch und machte die Abrechnung für den vergangenen Monat. Das Ergebnis, sorgfältig von ihm mit Feder und Tinte festgehalten, konnte sich sehen lassen. Wieder war er um etliche spanische Golddublonen reicher geworden, dies nicht zuletzt, weil er alle überflüssigen Ausgaben strikt vermied. Allerdings, es gab da ein paar Posten, die noch immer zu sehr ins Geld gingen. Ein solcher Posten war das Monatssalär für Manolo, seinen Aufseher. Der Mann kostete mehr, als er wert war. Sanceur seufzte. Gutes Personal war in Habana noch schwerer zu bekommen als gutes Sklavenmaterial. Gewiss, Manolo war zuverlässig, noch nie war ihm ein Sklave entlaufen, zudem konnte er preiswert und recht leidlich kochen, und auch die Mahlzeiten teilte er regelmäßig aus, aber die Kosten, die Kosten, die Kosten …
    Sanceur nahm sich vor, nach einem anderen Mann Ausschau zu halten. Es musste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht jemand finden ließ, der für weniger Geld dasselbe leistete. Ihm kam eine Idee: Vielleicht war es geschickt, den Gast, der sich für heute Abend bei ihm angekündigt hatte, zu fragen, ob unter seinen Männern nicht einer sei, der Manolos Stelle einnehmen konnte. Der Gast war Kapitän, Pirat und Sklavenfahrer in einem, und manch einer behauptete, mit ihm sei nicht gut Kirschen essen, besonders, wenn es ums Geschäft ging. Aber Sanceur war bis jetzt noch mit jedem fertig geworden, und überdies hatte er dem Mann ein paar Mal im Umgang mit Habanas Behörden geholfen. Eine Hand wäscht die andere, wie es so schön hieß. Wenn er es recht überlegte, war er ganz sicher, dass der Kapitän ihm helfen würde.
    Abermals vertiefte er sich in seine Kontoführung und registrierte voller Genugtuung, wie viel ihm auf der Haben-Seite verblieben war. Ja, von seiner Ware verstand er etwas! Meist sah er auf den ersten Blick, ob ein Schwarzer sich als anstellig erweisen würde oder ob er zur Aufsässigkeit neigte.
    Aber manchmal, da irrte selbst er. Und das Material erwies sich als kränker, als er angenommen hatte.
    Für solche Fälle hatte er seit kurzem einen Arzt.
    Der Mann nannte sich Vitus von Campodios und schien ein weltfremder Träumer zu sein. Sanceur hatte es zunächst kaum für möglich gehalten, aber dieser Arzt, der sogar ein examinierter Galeonenchirurg war, hatte seine Dienste freiwillig und kostenlos gegen ein paar Informationen angeboten. Er hatte lediglich wissen wollen, wo sich eine gewisse Arlette aufhielt, und obwohl Sanceur keine Ahnung gehabt hatte – was in diesem Fall sogar der Wahrheit entsprach –, hatte er dennoch seine Arbeit aufgenommen.
    Fürwahr, ein weltfremder Träumer.
     
    Im Gegensatz zu Sanceurs Haus war der dazugehörige Anbau alles andere als schön. Er diente den zum Verkauf vorgesehenen Sklaven als Unterkunft und war nicht mehr als ein Bretterverschlag. Durch die Ritzen und Fugen der nachlässig zusammengezimmerten Hütte pfiff der Wind ständig von der Bucht herein. Immerhin herrschte auf diese Weise frische Luft in der Behausung,

Weitere Kostenlose Bücher