Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Bürschchen!«
    Dann schloss er von außen ab.
    Vitus kam nur langsam zur Besinnung; das Ganze erschien ihm plötzlich wie ein Spuk. Er bückte sich nach Sanceur, der auf dem Boden lag und eine Quetschwunde an seiner Stirn betastete.
    »Allmächtiger!«, stöhnte der Sklavenhändler. »Ist das Ungeheuer fort?«
    »Ja, Monsieur.« Vitus kam allmählich wieder zu Atem. »Lasst mal Eure Stirn sehen. Nun, die Stelle ist nicht offen, dennoch habt Ihr überall Blut auf der Stirn. Lasst mich nach der Ursache forschen.« Rasch untersuchte er den Sklavenhändler, konnte aber keine offene Wunde entdecken. »Seltsam!«
    »So seltsam nun auch wieder nicht.« Sanceur gewann seine alte Sicherheit wieder. »Ihr seid es selbst, der blutet. Aus der Schulter.«
    »Was sagt Ihr? Tatsächlich!« Vitus betastete die verletzte Stelle. An sie hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. »Wahrhaftig, Ihr habt Recht. Eine Schnittwunde, nun, es gibt Schlimmeres.« Er half dem Mann auf die Beine. »Und jetzt entschuldigt mich. Der Menschenschlächter sagte, er sei noch nicht fertig mit mir. Nun, ich bin es mit ihm auch noch nicht.
Au revoir
, Monsieur!« Vitus eilte zum Fenster, blickte kurz nach unten – und sprang.
    »Au revoir.«
Mit offenem Mund schaute Sanceur ihm nach.
    Vitus landete halb im Rosenstrauch, aber er ignorierte die Dornen, denn dreihundert Schritte entfernt, Richtung Hafen, hastete ein dunkler Schatten: Jawy! Vitus begann zu rennen, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, und der Schatten rückte näher. »Ich kriege dich, Menschenschlächter!« Er bemerkte, dass Jawy zum Anleger 5 lief, vorbei an Hütten, Schuppen und Kränen. Wie es wohl seinen Freunden und den Schwarzen ergangen war? Hatten sie es bis zum Anleger 2 geschafft? War O’Tuft eingetroffen? Gedankenfetzen jagten durch seinen Kopf, während er weiterlief.
    Jawy hatte mittlerweile die Pier erreicht. Er rief irgendetwas und gestikulierte heftig. Ein Mann löste sich aus der Dunkelheit und pfiff gellend, woraufhin ein Boot auftauchte. Natürlich, Jawy hatte eine Crew auf sich warten lassen und ließ sich zurück auf seinen Segler rudern!
    Vitus hetzte weiter, aber er merkte, dass er es nicht schaffen würde. Atemlos blieb er stehen. Das sich entfernende Boot hielt direkt auf einen Sklavenfahrer zu, der mehrere Kabellängen entfernt auf Reede ankerte. Das Schiff war zweifelsohne nicht die
Torment of Hell
, Jawys Piratenschiff, sondern eine Galeone spanischer Bauart. Bevor Vitus sich darüber wundern konnte, geschah etwas Unerwartetes: Jawy richtete sich im Heck seines Boots zu voller Höhe auf, winkte herüber und – lachte ihn aus!
    »Warte nur, du vermaledeiter Teufel!Ich kriege dich, und wenn ich dafür bis ans Ende der Welt laufen muss!«

Der Matrose Hewitt
    »Ich weiß, dass es eine Bucht gibt, in der Jawy und seine Spießgesellen sich gerne aufhalten. Die Bucht selbst ist den Spaniern wohl bekannt, aber sie hat mehrere geheime Seitenarme, die von See her uneinsehbar sind.
    Ein idealer Platz, um sich zu verstecken.«
     
    V itus saß in O’Tufts Kajüte und musste trotz all seiner Proteste eine genaue Untersuchung durch den Magister über sich ergehen lassen. »Es mag sein«, sagte der kleine Gelehrte mit Seelenruhe, »dass wir keine Zeit zu verlieren haben, wenn wir Jawy noch erwischen wollen, aber es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind. Deine Verletzung zum Beispiel. Ein hübscher Schnitt ist das, den der Hundsfott dir da verpasst hat. Der Hautlappen lässt sich umklappen wie ein Buchdeckel. Nun, gottlob ist er auch nicht viel dicker als ein solcher. Immerhin, du brauchst einen Verband, der ihn fest andrückt, damit er umso schneller wieder anwächst.«
    »Aber Magister, die Wunde blutet doch nicht einmal mehr.«
    Der kleine Mann nahm die Berylle ab. »Du scheinst Ross und Reiter zu verwechseln, du Unkraut! Im Augenblick bin ich der Arzt, und du bist der Patient. Und jetzt halt still. Ich will noch eine Heilsalbe auftragen, bevor ich die Wunde fixiere.«
    »Eine Heilsalbe ist doch gar nicht nötig.«
    Der Magister räusperte sich und blickte vorwurfsvoll in die Runde. »Es ist schon etwas dran an der alten Weisheit, dass Ärzte die schlechtesten Patienten sind. Sie wissen alles besser.«
    »Wui, wui, ’s hab ich auch schon mal geschallt.«
    O’Tuft, ein untersetzter Mann, dessen Brustkasten an ein Butterfass gemahnte, enthielt sich der Stimme. Auch Hewitt schwieg. Beide stellten stattdessen Becher vor die Männer hin, und der Kapitän beeilte

Weitere Kostenlose Bücher