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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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kaum nennenswert mehr gekostet hatten als einer. Er gedachte, sich noch die eine oder andere Scheibe einzuverleiben, hauchdünn geschnitten, zartrauchig im Geschmack, bevor das Pläuschchen mit dem fremden Kapitän begann. »Wenn etwas ist, wendet Euch an Mister Gerald. Ich bin in meiner Kajüte.«
     
    »Die Sache gefällt mir nicht, Cirurgicus«, sagte Ó Moghráin zum wiederholten Mal. »Der Fremde ist nur noch drei oder vier Kabellängen entfernt, er hält direkt auf uns zu, und noch immer wissen wir nicht, mit wem wir es zu tun haben. Der Bauart nach gehört er zu den
New Fighting Galleons
, aber der Name am Rumpf ist nicht zu entziffern, gerade so, als sei er abgedeckt worden. Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, es handelt sich um die
Vigilance

    Vitus, der neben dem Steuermann auf die See hinausspähte, antwortete: »Und wenn sie es wäre?«
    »Wäre das höchst verdächtig. Ein Kriegsschiff legt kein solches Gebaren an den Tag.«
    Der Magister schaltete sich ein. »Habt Ihr schon das Signal
What ship?
setzen lassen, Herr Steuermann?«
    »Schon mehrfach. Aber der Fremde hüllt sich hartnäckig in Schweigen. Unser Mann im Ausguck will zwar eine freundlich winkende Gestalt auf dem Kommandantendeck entdeckt haben, aber ich traue dem Frieden nicht. Gerald, der Erste, sieht es genauso. Am liebsten würde er Gefechtsbereitschaft pfeifen lassen, aber ihm sind die Hände gebunden. Ausdrücklicher Befehl vom Kapitän, ebenso wie die Anweisung, kleine Fahrt zu machen, um den Fremden nur ja nicht zu verpassen … Da! Seht! Jetzt lässt er die Segel backbrassen, um abzustoppen. Er will längsseits kommen! Ich könnte schwören, dass es die
Vigilance
ist!«
    Der Unbekannte war nur noch eine viertel Kabellänge entfernt, als sich die Ereignisse überschlugen. Plötzlich wimmelten seine Decks vor Männern: wilden, verwegen aussehenden Gestalten mit blitzenden Waffen in den Fäusten. Musketenfeuer setzte ein, es kam von hoch oben aus den Marsen, wo Scharfschützen saßen und die Matrosen der
Gallant
wie die Hühner von der Stange schossen. Geschützpforten öffneten sich quietschend, schwere Kanonen wurden ausgerannt, Enterhaken flogen herüber und fraßen sich im Schanzkleid der
Gallant
fest. Die ersten Piraten sprangen mit gewaltigen Sätzen von Schiff zu Schiff …
    »Pirate’s blessing
    is slitting,
    is killing,
    … is maha-ssa-cring!«
    »Piraten sind’s, gottverfluchte Piraten. Barmherzige Mutter Maria, hilf«, murmelte Ó Moghráin, sich mehrfach bekreuzigend. »Das ist das Ende.«
    »Nein! Das ist erst der Anfang!«, versetzte Vitus grimmig. »Noch sind wir nicht verloren. Kommt, wir fliehen aufs Oberdeck, dort können wir besser Widerstand leisten.«
    Er stürzte voran, den Magister und den Steuermann dicht hinter sich. Auf dem Weg nach achtern prallte er mit Gerald und Powell zusammen, die zwischen mehreren Toten standen und wild gestikulierend Befehle schrien, Befehle, die niemand vernahm und niemand mehr ausführte. »Sucht Euch ein paar Männer im Vorschiff, Gerald, dann geht unter Deck und besorgt Euch Waffen, wehrt Euch!«
    Der Erste nickte hastig. »Aye, aye, Sir«, sagte er – und gab damit eine Antwort, die eigentlich nur einem Vorgesetzten zustand. Doch ein klarer Befehl war genau das, was er jetzt brauchte. Zusammen mit Powell lief er in Richtung Bug.
    Vitus hetzte weiter. Nach oben. In die gemeinsame Kabine, wo die persönlichen Waffen lagen. »Hier, dein Entermesser, Magister, Ó Moghráin, nehmt diesen Dolch, er ist besser als nichts, ich habe meinen guten alten Degen. Und nun: vorwärts!«
    Wieder an Oberdeck, musste er feststellen, dass die Piraten bereits auch hier über das Schanzkleid quollen. Stahl blitzte plötzlich zu seiner Linken auf. Der Reflex, mit dem er seine Klinge nach oben riss und den Schlag parierte, rettete ihm das Leben. Automatisch wich er zurück. Sein Gegner sprang ins Leere und bot ihm die offene Seite. Ohne zu zögern, stieß er ihm den Degen in die Rippen. »Ó Moghráin! Nehmt die Waffe von diesem Bastard!«
    »Aye, aye, Sir!«
    Er eilte in Richtung Querreling, denn er wusste: Das Geländer im Rücken würde ihnen eine bessere Verteidigung ermöglichen. Der kleine Gelehrte war neben ihm, hinter sich hörte er das Keuchen des Steuermanns. Ein paar kräftige Hiebe durch die Luft verschafften ihm Respekt bei dem mordlüsternen Pack. Lauernd wichen die Angreifer zurück. Wieder ein paar Schritte. Rundumblick. Der Gegner war jetzt vorsichtig geworden. Mit seinem

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