Der Chirurg von Campodios
eines Morgens, es war während der Wache von 4 bis 8, sein Gebet mit einem kräftigen Amen beendet hatte, legte er wie von Sinnen los:
»Amen, Amen, Amen! Dein Gottgeschleime kotzt mich an, Mönch! Mach, dass ein Wunder geschieht, wenn es deinen Gott gibt! Lass es Wasser regnen oder Fässer mit Brandy oder besser gleich Gold, ja Gold, Gold Gold! Ich liebe Gold, es ist so glänzend, so schwer, so glatt …« Er keuchte und rang nach Atem. »Glatt wie die Schenkel einer Jungfrau, wie die offenen Schenkel einer Jungfrau, die’s mit dem Satan treibt …«
»Jetzt reicht’s!« Bride, der ein gottesfürchtiger Mann war, vergaß alles um sich herum, ließ die Schot fahren und sprang mit einem gewaltigen Satz zum Mast, wo er dem Meuterer die Faust ins Gesicht rammte.
»Halt! Mein ist die Rache, spricht der Herr!« Ambrosius setzte Bride nach, um weitere Schläge zu verhindern.
»Glatt wie die Schenkel einer Jungfrau, wie die offenen Schenkel einer Jungfrau, die’s mit dem Satan treibt … Drüber, drunter, eins, zwei, eins, zwei … Gluthölle, Gluthitze, heißa, heißa, heißa, jahaaa, so heiß wie ein Jungfernschoß, der’s mit dem Satan treibt!«
»Jetzt ist er völlig verrückt geworden!«, rief der Magister und verlor das Gleichgewicht. Er fiel vornüber zwischen Taue, Fässer und Knäuel, denn die
Albatross
schaukelte mittlerweile so stark, dass die Dollborde ins Wasser einzutauchen drohten.
»Verrückt isser, völlich verrückt! Nich, Phyllis?«
»Ja, ja, verrückt.«
»Wui, wui, plemplem!«
Bantry schwieg finster.
Der besonnene Ó Moghráin, der abermals die Pinne für Vitus übernommen hatte, fing blitzschnell die Schot wieder ein, bevor weiteres Unheil passieren konnte. Dann sagte er kopfschüttelnd: »Man muss Fraggles zum Schweigen bringen.«
»Und das werden wir auch!«, versicherte Vitus grimmig. »Darf ich Euch nochmals um einen Stoffstreifen bitten, Miss Phoebe?«
»’s dürft Ihr, Cirurgicus, wüsst nich, was ich Euch lieber gäb.« Und während sie sich das Gewünschte vom Kleid riss, schimpfte sie in Richtung Mast: »Schämen tät ich mich, wenn ich du wär, Fraggles, bei den Knochen meiner Mutter, schämen tät ich mich, zehn Klafter tief innen Boden rein!«
»Danke.« Vitus nahm den Streifen, formte eine Rolle daraus und wollte sie Fraggles in den Mund stopfen.
»Drüber, drunter, eins, zwei, eins, zwei … heißa, heißa, heißa, jahaaa, so heiß wie ein Jungfernschoß, der’s mit dem Satan treibt!« Fraggles riss seinen Kopf wild hin und her, so dass es unmöglich war, ihm den Knebel in den Mund zu schieben.
Ambrosius und Bride packten zu und hielten seinen Kopf wie mit Schraubstöcken fest.
Erneut versuchte es Vitus. Doch jetzt presste der Meuterer die Zähne mit aller Kraft zusammen.
»Drückt ihm den Daumen hier hinein.« Vitus zeigte auf die Stelle seitlich am Ohr, wo Ober- und Unterkiefer zusammenliefen.
Sie taten es, wobei sie keineswegs zimperlich vorgingen. Fraggles’ Lippen öffneten sich widerstrebend. »Heiß wie ein Jungfernschoß, der’s mit Satrrrmpffhhh …« Endlich saß der Knebel.
»Na bitte«, meinte der Magister durchatmend. »
Cessente causa, cessat effectus
. Mit der Ursache hört die Wirkung auf. Wurde aber auch Zeit.«
Vitus wollte sich schon abwenden, als ihm etwas Ungewöhnliches auffiel. Es waren Fraggles’ Augen: Sie waren fiebrig und blutunterlaufen. Er sah noch einmal genau hin. Ja, darin stand das Fieber! Prüfend legte er die Hand auf die Stirn des Meuterers. Sie war glühend heiß. Voll dunkler Vorahnung betrachtete er die Gesichtshaut von mehreren Seiten. Er war sich nicht sicher, aber es schien, als wiese sie hier und da einen Stich ins Gelbe auf.
Tief durchatmend wandte er sich endgültig ab und strebte zur Heckbank, wo der tüchtige Ó Moghráin die
Albatross
wieder sicher an den Wind gebracht hatte. Er nahm Platz und versuchte, seine wild durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen. Was er gesehen hatte, war zutiefst beunruhigend. Was er vermutete, durfte nicht sein, konnte nicht sein! Allmächtiger Vater im Himmel, um alles in der Welt, lass diesen Kelch an uns vorübergehen!
»Du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter!« Der kleine Gelehrte war ihm schnaufend nach hinten gefolgt und ließ sich neben ihm nieder. »Dabei wäre das gar nicht mal das Schlechteste, denn Regen lässt sich trinken.«
Vitus reagierte nicht.
»Sag, was los ist.«
Vitus schwieg.
»Komm, so schlimm, dass du es mir nicht sagen könntest, kann es
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