Der Chirurg von Campodios
mal, was machste denn da mit Bride?«
»Nun, äh …«, geistesgegenwärtig setzte Bantry eine Trauermiene auf. »Ich hab grade nach dem Herzschlag gefühlt. Bride ist hin. Und Ó Moghráin auch.«
»Was sachste da?« Phoebes Puppengesicht erstarrte. »Das darf nich wahr sein! Neiiiiin!« Sie stürzte, so schnell es ging, zwischen den Kranken nach achtern, wo sie Ó Moghráins Kopf aufnahm und an sich drückte.
»War doch klar, dass sie sterben«, stellte Bantry sachlich fest.
»Wie kannste sowas nur so kalt sagen, wie kannste nur? Was biste überhaupt für ’n Mensch?« Sie blickte ihn an. Ihr Püppchengesicht war tränenüberströmt.
Bantry lächelte dünn. »Ich bin einer, der überlebt.«
Am Nachmittag schlief der Wind fast ein, und auch der Regen hörte auf. Hier und da brach die Wolkendecke auseinander, die Sonne kam durch, färbte das Meer wieder blau und schickte ihre wärmenden Strahlen auf das Boot herab.
Bantry fühlte sich von Stunde zu Stunde wohler. Er grunzte und streckte die Beine weit von sich, was durchaus möglich war, denn nachdem die Toten unter dem Geflenne von Phoebe und Phyllis der See übergeben worden waren, herrschte geradezu Platz im Überfluss. Nur noch Hewitt, der wieder die Pinne übernommen hatte, dann der Lackaffe von Cirurgicus, der immer noch nicht bei Sinnen war, und er, Bantry, teilten sich das Achterschiff.
Bantry grunzte noch einmal, dann rief er einen wohl überlegten Satz nach vorn: »Ich mag’s nicht, wenn Schuppen in der Suppe sind!«
»Wie? Was sachste?« Phoebe war in Gedanken noch immer bei der formlosen, ja unmenschlichen Art, in der sie die Toten der See hatten übergeben müssen. Aber anders war es nicht gegangen. Sie hatten keine Fahne, keine Musikanten, keine Trauerkleider gehabt, und Bruder Ambrosius war nicht in der Lage gewesen, ein Gebet zu sprechen. Er war einfach noch zu schwach. So hatte Phoebe selbst nach Worten gesucht:
»Vater im Himmel, hier is Phoebe,
ich un Phyllis un die annern sin auf ’m Ozean,
’s geht uns verd … , äh … mächtich schlecht.
Dem Joshua inner Bibel haste ja geholfen,
aber Bride haste nich geholfen
un Ó Moghráin auch nich,
der wollt so gern begraben werden
inner Erde vonner grünen Insel.
Mach wenichstens, dasse in Himmel kommen
un nich inne Hölle,
denn ’s waren anständige Kerle, bei Gott! Äh …
jedenfalls waren ’s anständige Kerle.
Un mach, dass wir bald da sin inner Neuen Welt,
wir können nich mehr lange.
Amen.«
Dann hatten sie und Phyllis zusammen mit Hewitt die Leichname über das Dollbord geschoben. Es hatte mehrerer Anläufe bedurft, bis endlich die Körper aufklatschend in die See fielen. Rasch waren sie abgetrieben worden, und Phoebe hatte wie ein Schlosshund geheult. Bantry, auf dessen Hilfe sie eigentlich gehofft hatte, war vom Fieber noch zu entkräftet gewesen. Andererseits, so viel Kraft, dass er die gut erhaltene, lederne Weste von Bride energisch für sich beanspruchen konnte, so viel Kraft hatte er schon gehabt.
»Ich sagte, ich mag’s nicht, wenn Schuppen in der Suppe sind«, wiederholte Bantry.
»Wieso Schuppen? ’n Fisch is ’n Fisch, der hat nu mal Schuppen, un ich hab kein Messer nich, umse abzuschrubben.«
»Es gibt aber ’n Messer im Boot«, sagte Bantry.
»’n Messer? Wo denn? Ach ja, im Schapp vom Käptn, da is eins, aber da kommste nich ran, ’s Schapp klemmt wie verrückt, hab ’s schon versucht, das kriegste im Leben nich auf.«
Die Antwort hatte Bantry erwartet. Tatsächlich war das Schapp, das knapp unter die Hecksitzbank passte, durch überkommendes Spritzwasser so aufgequollen, dass seine Türen völlig eingeklemmt waren. Er tat, als wäre er überrascht. »Da hab ich gar nicht dran gedacht. Zu dumm! Es müsste was geben, mit dem man die Türen aufbrechen kann.«
»Wassoll ’n das sein? Wie meinste das?«
Bantry schien zu überlegen. »Wir müssten ’ne Stange haben oder so was, mit eiserner Spitze, damit man in die Türspalten reinkommt.«
»Ach so. Hm.« Phoebe dachte scharf nach. Dann hatte sie eine Erleuchtung. »Weißte was? Wir nehmen ’ne Harpune, ’ne Harpune nehmen wir! Hier vorn sin zwei.« Sie deutete eifrig in die Richtung.
»Bring sie nach achtern.« Bantry fand es gut, dass Phoebe von selbst darauf gekommen war.
Wenig später hatte sie unter seiner Anleitung die Türen aufgehebelt und das Messer hervorgeholt.
Bantry sagte: »Geh damit wieder nach vorn. Vielleicht lassen die Fische sich sogar ausnehmen.«
»’s is
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