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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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besser! Er begann das Schloss auseinander zu nehmen. Als er halb fertig war, erschien Phoebe mit der Suppe.
    »Bist wirklich schon mächtich obenauf«, meinte sie und schielte interessiert auf die vielen Metallteile, die verstreut auf dem Bootsboden lagen.
    »Gib her.« Bantry nahm den Becher mit der Fischsuppe entgegen. Er kostete. Sie war heiß und gut und nahezu grätenfrei. Phoebe musste die Bonitos mit dem Messer filetiert haben. »Die Suppe ist nicht übel.«
    »Nett, dassde das sachst. Den annern hatse auch geschmeckt, aber se ham nix gesacht, können nich so viel quasseln, noch nich, sin noch lange nich wieder auf’m Damm.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Bantry und jubelte insgeheim. »Und jetzt gib mir das Messer.«
    »Ja doch!« Widerstrebend händigte sie es ihm aus. Abermals entdeckte er Misstrauen in ihren Augen. Du Hure!, dachte er und sagte laut:
    »Es ist wegen dem Rückholbolzen, du weißt schon.«
    »Ja, Bantry, ich weiß.« Sie drehte sich um und gab Hewitt als Letztem von der Suppe, dann stieg sie wieder nach vorn.
    Bantry zerlegte weiter das Radschloss. Die Arbeit war schwieriger, als er gedacht hatte. Mit jedem Teil, das er ausbaute, fragte er sich, ob er es jemals wieder einbauen konnte. Seine Zweifel wuchsen. Er wünschte sich sehnlichst einen Schraubstock herbei. Seine Hände waren zwar ungemein stark, aber die Kraft zweier Stahlbacken konnten sie nicht ersetzen. Und sonderlich geschickt waren sie auch nicht. Er begann zu schwitzen. Wenn er wenigstens eine dritte Hand hätte! Aber er wollte keinen der Männer bitten, ihm zu helfen. Auf keinen Fall. Sein Blick schweifte prüfend über ihre Köpfe. Sie schliefen schon wieder oder dösten teilnahmslos vor sich hin. Das kam seinen Absichten sehr entgegen. Er lächelte flüchtig. Dass er die Muskete besaß, würden sie noch früh genug erfahren. Und dann würde es für sie zu spät sein …
    Seine Gedanken schweiften ab, während er die letzten Teile des Schlosses losschraubte und damit begann, sie mit Werg und Fett vom Rost zu befreien. Wenn die Waffe erst einmal wieder funktionstüchtig war, würde er über ein stattliches Arsenal verfügen: zwei Harpunen, ein Messer und natürlich die Muskete selbst. Er musste sie unbedingt reparieren, denn von ihr hing das Gelingen seines Plans entscheidend ab.
    Sein Plan, alle Männer an Bord zu töten.
    Alle Männer, und zwar auf seine Art. Denn Bantry scheute den Nahkampf. Die direkte Auseinandersetzung von Mann zu Mann, mit Degen, Messern oder sonstigen Klingen war ihm zuwider. Das dauerte zu lange und führte zu nichts, und wenn, dann nur zu eigenen schmerzhaften Verletzungen, wenn nicht gar zum Tod. Manche nannten ihn deshalb feige, doch die meisten, die das taten und sich auf ihre Tapferkeit wer weiß was einbildeten, lagen längst bei den Würmern, und er, Bantry, lebte noch immer. Die Muskete würde dafür sorgen, dass es so blieb.
    Während er mit der Reinigungsarbeit fortfuhr, grübelte er, wie er seine Waffen am besten einsetzte. Es war klar, dass er besonnen vorgehen musste. Besonnen, aber entschlossen und nicht so unüberlegt wie der verrückte Fraggles. Der hatte mit dem Kopf durch die Wand gewollt – und prompt dafür bezahlt.
    Die wichtigste Waffe war zweifelsohne die Muskete. Er hatte nur einen Schuss, aber dieser eine Schuss musste reichen, dem aufgeblasenen Cirurgicus das Lebenslicht auszublasen. In dem darauf folgenden Tumult würde er die Harpunen einsetzen. Der frömmelnde Bruder Ambrosius hatte zwar lange Arme, aber so lang wie eine Harpune waren sie nicht. Die zweite Lanze würde dem Magister den Garaus machen.
    So weit, so gut. Dann blieben nur noch zwei Männer, die eigentlich keine waren: Hewitt, der Hänfling, und der bucklige Zwerg. Bei beiden würde bloße Fingerkraft ausreichen, ihnen die Kehlen zuzudrücken, und falls nicht, hatte er noch das Messer. Und dann, dann würde sein Plan aufgegangen sein – und seine Chancen, diese Höllenfahrt lebend zu überstehen, wären um ein Vielfaches gestiegen. Und er würde wieder einmal überleben …
    Er grunzte zufrieden und prüfte mit den Fingern die Spannkraft der Radfeder. Sehr gut! Ein zweites Mal würde sie nicht versagen.
    Seine Gedanken kehrten zu seinem Mordplan zurück. Was war mit den Huren? Sie waren nur schwache Frauen, dumm obendrein, und stellten keinerlei Gefahr dar. Auf dem Boot nicht und auch nicht in Cartagena. Dort mochten sie erzählen, was sie wollten. Huren glaubte man nicht, das war überall auf der Welt so.

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