Der Chirurg von Campodios
’ne gute Idee, Bantry, ’s Messer is mächtich scharf.« Sie strich mit dem Zeigefinger über die Schneide. »He, was haste denn mit der Muskete vor?« Ein Funke Misstrauen erschien in ihren Augen.
»Na was wohl?«, gab sich Bantry erstaunt. »Natürlich reinigen, wäre doch dumm, wenn ein Schiff käm, und wir könnten keinen Signalschuss abgeben.«
»Da haste Recht.« Das Misstrauen in ihren Augen verschwand. »Glaubste denn, wir sin schon so nah anner Neuen Welt?«
Bantry hatte keine Ahnung. Er blickte auf die Kompassnadel, die einen Strich südlicher als West anzeigte, grunzte zufrieden und sagte: »Kann’s mir schon vorstellen. Wir machen gute Fahrt, und die Richtung stimmt. Und nun geh nach vorn, mach deine Fischsuppe, bin gespannt, ob sie mir schmeckt. Morgen kannst du den Hahn schlachten, nichts päppelt mehr auf als heiße Hühnersuppe.«
»Is gut. Mal sehn.« Phoebe kletterte zurück in den Bug, wo Phyllis das Wasser für die Suppe schon fast zum Kochen gebracht hatte. »Tu lieber noch ’n bisschen Holz nach, Phyllis, ’s Wasser muss richtich brodeln, brodeln musses, verstehste.« Sie wandte sich dem Hahn zu. »Na, Jack, du Scheusal, haste gehört? Bantry will, dassde in Topf kommst.«
Sie schnitt ein Stückchen Fisch ab und reichte es in den Käfig. Sofort pickte der Vogel es ihr aus der Hand. Er konnte es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. »Put, put, put, put, put, ’s schmeckt gut, was? Brauchst keine Angst nich haben, wo wir doch schon so dicht anner Neuen Welt sin, nich? ’s letzte Stück schaffen wir auch noch. Bei den Knochen meiner Mutter, so lange Phoebe da is, kommste nich in Topf.«
Sie fragte sich, ob Bantry wirklich sicher war, dass sie bald die Neue Welt erreichten. Oder hatte er nur so getan? Hatte er das nur gesagt, damit sie sich von Jack, der Fleischreserve für den äußersten Notfall, trennte? »Is egal, solange Phoebe da is, kommste jedenfalls nich in Topf.« Energisch begann sie die Bonitos zu schuppen und zu zerteilen.
Unterdessen hatte Bantry die Muskete vor sich hingelegt. Es war eine Radschlossmuskete, und Bantry war froh darüber, denn das Radschloss ersparte es dem Schützen, ständig eine gefährliche, glimmende Lunte mit sich zu führen, die er, bevor er schießen konnte, erst noch in die Serpentine klemmen musste. Sorgfältig untersuchte er Abzug, Feder, Rad, Hahn und Zündpfanne. Alle Teile sahen funktionstüchtig aus, auch wenn sie schon reichlich Rost angesetzt hatten.
Dann beschäftigte er sich mit dem wasserdichten Ledersack, der zu der Waffe gehörte. Er machte ihn auf und fand darin einen weiteren Sack und ein Pulverfläschchen. Der Sack barg Werkzeuge zur Bedienung und Wartung, darunter den Ladestock und einen kräftigen Schraubendreher. Das Pulverfläschchen war, wie er zufrieden feststellte, noch halb voll. Bantry nahm eine kleine Menge in die Hand und betrachtete sie kritisch, roch daran, ja, kostete sogar davon. Keine Frage, das Pulver war trocken und gut. Was fehlte, waren Kugeln. Ohne Kugeln nützte die ganze Muskete nichts. Er machte sich daran, noch einmal alles zu durchsuchen. Endlich fand er eine. Sie steckte unten im Fläschchen, inmitten des Pulvers, und war wohl eher zufällig da hineingeraten. Eine einzige Kugel nur. Aber besser als gar keine.
Er widmete sich wieder der Muskete und entfernte mit einiger Anstrengung das Pyritstück aus den Klemmlippen des Hahns. Dann spannte er probeweise, senkte den Hahn und betätigte den Abzug. Nichts geschah. Die Feder, die das Rad in Drehbewegung versetzen sollte, klemmte. Er fluchte innerlich. Das liegt am Rost, sagte er sich. Es hilft nichts, ich muss das gesamte Schloss auseinander bauen!
Mehrmals versuchte er, mit dem Daumennagel die Halteschrauben loszudrehen, aber sie saßen zu fest. Ruhig bleiben!, ermahnte er sich. Du wusstest von vornherein, dass das Ganze kein Spaziergang werden würde. Wozu gibt es das Werkzeug!
»Was machste ’n da, Bantry?«, tönte Phoebe vom Bug her.
»Ich repariere die Muskete.«
»Pass bloß auf, wennde daran rumfummelst. Suppe is gleich fertich.«
»Wenn du so weit bist, gibst du mir das Messer zurück, ich brauch’s hier.«
»Wieso ’n das?«
»Ich will damit den Rückholbolzen der Zündpfanne sauber schaben.« Das war natürlich Unsinn, denn ein solches Teil gab es gar nicht, aber Phoebe konnte das nicht wissen, und er wollte das Messer unbedingt haben.
»Ja, wenn’s so is.«
Bantry griff zum Schraubendreher und setzte ihn an. Ja, das ging schon
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